Full text: [Teil 5 = Achtes und neuntes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 5 = Achtes und neuntes Schuljahr, [Schülerband])

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1889 einer Abordnung gegenüber, welche die streikenden Arbeiter 
des rheinisch-westfälischen Kohlengebietes an ihren Landesherrn 
sandten. Der junge Kaiser wies sie mit ernsten Worten auf ihren 
Kontraktbruch hin: sie hätten die vierzehntägige Kündigungsfrist 
nicht innegehalten, sie sollten nach Hause fahren und auf ihre 
Kameraden einwirken, daß sie zur Überlegung zurückkehrten. Zwei 
Tage darauf aber sprach der Kaiser aus seinem gerecht fühlenden 
Herzen heraus zur Abordnung der Arbeitgeber folgende sehr be¬ 
deutsamen Worte: „Es ist menschlich natürlich, daß jedermann ver¬ 
sucht, sich einen möglichst günstigen Lebensunterhalt zu erwerben. 
Die Arbeiter lesen Zeitungen und wissen, wie das Verhältnis des 
Lohnes zum Gewinne der Gesellschaften steht. Diese haben die 
Pflicht, für das Wohl ihrer Arbeiter nach besten 
Kräften zu sorgen." 
Diesen durchaus menschenfreundlichen, vermittelnden Stand¬ 
punkt betonte Kaiser Wilhelm II. wiederum mit größtem Nach¬ 
druck, als er im Februar 1890 den Staatsrat berief, um mit 
ihm zu beraten über den Schuh gegen schrankenlose Ausbeulung 
der Arbeitskraft, gegen die zu weitgehende Heranziehung der Kinder 
und Frauen. Gleichzeitig kamen auf seine Einladung Vertreter 
fast aller europäischen Mächte in Berlin zu dem gleichen 
Zwecke zusammen. Die durch diese Konferenzen gegebene An¬ 
regung wirkte segensreich: auch Frankreich, Österreich, England er¬ 
ließen Gesetze zum Schutze der Arbeit, und 1897 erkannte der 
internationale Kongreß für Unfallversicherung in Brüssel die 
Richtigkeit der in Berlin verkündeten Gesetze an. 
In Deutschland waren die erste Frucht dieser Bestrebungen 
die 1890 eingeführten Gewerbegerichte, die als Einigungs¬ 
ämter Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Brotherren ohne Ver¬ 
zögerung und ohne Kosten entscheiden sollen; das Jahr 1891 
brachte eine wichtige Erweiterung, die Gewerbeordnung, 
durch welche die Sonntagsruhe der Arbeiter und die Schutzvorrich¬ 
tungen bei Gewerbebetrieben gewährleistet, eine zu lange Dauer 
der Arbeitszeit und die Beschäftigung schulpflichtiger Kinder in 
Fabriken verhindert werden. Eine noch viel strengere Beaufsich¬ 
tigung der Ausnutzung von Kindern ward durch das seit 1903 
bestehende Kinderschuhgesetz herbeigeführt. 
Bei weitem das wichtigste und wohltätigste von all
	        
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