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48 II. Sagen.
die Rüstung, die du begehrst!" Auf seinen Wink wurden Helm, Schild
und Brünne gebracht; er bekleidete damit den jungen Helden und ent¬
ließ ihn sofort unter sicherem Geleite.
Rosamunde, die blondgelockte, liebliche Tochter Künemunds,
spielte draußen auf dem Anger mit anderen Mägdlein Federball. Sie
war kaum den Kinderjahren entwachsen und betrachtete neugierig und
harmlos die fremden Reiter. Sie ward nicht gewahr, wie Alboins
Blick auf ihr haftete. Dann sprang sie eilfertig in die Halle, setzte
sich zur Seite des lieben Großvaters, nahm liebkosend seine Rechte in
ihre Hände und fragte ihn, wer die stattlichen Männer seien, die sich
von ihm verabschiedet hätten.
Solange die Könige Thurisind und Audoin lebten, war seit diesem
Tage Ruhe zwischen ihren Völkern; als sie aber die Augen zur ewigen
Ruhe geschlossen hatten, entbrannte sogleich der blutige Hader. Alboin
verband sich mit den räuberischen Avaren. Ehe jedoch ihre wilden
Horden auf dem Kampfplatz erschienen, waren bereits die edelsten
Gepiden in der Feldschlacht und in der erstürmten Königsburg, Küne-
mund selbst unter Alboins furchtbarer Streitaxt gefallen. Der Sieger
ließ sich aus dem Schädel des erschlagenen Königs ein in Silber ge¬
faßtes Trinkgesäß herrichten und leerte es beim festlichen Gelage. Dann
feierte er Hochzeit mit der schön aufgeblühten Rosamunde. Das un¬
glückliche Weib träumte jetzt nicht mehr harmlose Kindesträume, wie
voreinst in den Armen des greisen Ahnherrn; Gedanken unversöhnlicher
Rache erfüllten ihre Seele. Sie hätte den verhaßten Gemahl gern in
ihren Armen erdrosselt und mußte doch Liebe heucheln. Sie duldete,
was nicht abzuwenden war; doch hoffte sie, die Stunde werde kommen,
da sie den Schatten des Vaters mit dem Blute des Mörders sühnen
könne. Alboin aber ahnte nichts von dem, was in des Weibes Seele
vorging; er liebte die schöne Hausfrau von Tag zu Tag mehr und suchte
alle ihre Wünsche zu befriedigen. Rur beim Gelage, wenn sie die Becher
nicht emsig füllte, traf sie bisweilen ein zorniger Blick des Gemahls.
Mit dem Gesamtvolke der Langobarden, vielen Scharen der
Gepiden, die der Königstochter folgten, und anderen Raubfahrern zog
Alboin fort über die Jütischen Alpen nach Italien, wohin ihn der vom
kaiserlichen Hofe gekränkte Rarses, der Besieger der Ostgoten, geladen
hatte. Das altersschwache oströmische Reich, dessen Herrschaft sich
wieder über Italien erstreckte, konnte dem stürmischen Andränge der
frischen, jugendkräftigen Germanen nur schwachen Widerstand entgegen¬
setzen. Burgen und Städte sanken in Trümmer, wenn sie nicht frei¬
willig dem furchtbaren Eroberer ihre Tore öffneten. Erst die festen