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der zierlichen Commode zwischen Porzellan und Glas viele kleine Büsten
des Kaisers u. s. w. Guter Sandwirth, was wußtest du von dem allen?
Deines Kaisers Bild trugst du im Herzen, hattest es aber gewiß nicht
so oft in deinem Zimmer; und die vornehme Stickerei! — Dachtest du
jemals daran, dein Kind bei den englischen Fräulein erziehen zu lassen?
Armer Sandwirth! dein kleines Stübcken hätte ich sehen mögen, mit
dem Wandkalender, in den du deine Anmerkungen hinein schriebst, mit dem
Schreibpulte, woran du deinen kleinen Handel ausnotirtest und sorgenvoll
dir die Stirn riebst, wenn du nickt aus noch ein mehr wußtest, bis
dich dein Geschick nach dem Außerordentlichen greifen ließ. Ich sah mich
rings um — keine Spur von ehemals; dafür hing über der Tbür ein
großer Bogen Papier, und darauf standen mit farbigen Initialen die Worte:
„Hier wohnte der Alpenheld,
Dessen Asche Jnsbruck bewahrt."
Die gefällige Tochter, die Frau des jetzigen Sandwirths, zeigte uns die
schwere Gnadenkette mit dem Bilde des Kaisers und die Kleidung, welche
Hofer an dem Tage in Insbruck trug, als sie ihm umgehängt wurde.
Den breiten Gürtel zieren die Buchstaben:
E. Y. A. H. 0. C. V. T.
.Andreas Hofer, Ober-Commandant von Tyrol, ist leicht verständlich;
das E. Y. im Anfange wußte man mir jedoch nicht zu entziffern. Den
Hut hatten ihm die Ursulinerinnen gar schön verziert und aufgeputzt, auch
die obige Inschrist in Gold aus breitem Bande gestickt. Bei der letzten
Anwesenheit des Kaisers in Meran zogen auch die Schützen aus Pas-
seyer, die schönen, riesengroßen Männer, sehr langsam und feierlich
heran. Der Sandwirth, Andre Erb, Hofers Schwiegersohn, führte sie
an, gekleidet in dieselbe Tracht, die Hoser an seinem höchsten Ehrentag
in Insbruck getragen.
Wir sahen von unserm Söller in ein kleines Gärtchen, wie man sie
im Hochgebirge hat. Da war noch nichts verschönert worden. Knoblauch,
Zwiebeln und Salat aus einigen Beeten, nichts weiter! Eine alte
Bäuerin bückte sich und pflückte Salat zum Nachtessen. Sie war groß,
hatte ehrwürdige, weiße Haare, und wenn sie manchmal den Kopf wandte,
so zeigte sie ein bleiches Gesicht von edlem Ausdrucke, worin sich Kum¬
mer , und ein alter Sckmerz eingegraben hatten. Dies war Andreas
Hofers Frau selbst. Wir sahen ihr alle mit stummer Theilnahme zu;
niemand mochte sie durch eine vorwitzige Anrede bei ihrer Arbeit stören.
Jetzt trat sie aus dem Garten, gab ihren Korb einer Magd und ging
langsam ins Haus. Kurze Zeit daraus erschien sie auf dem Söller unter
uns; die ^Hausleute und einige fremde Bauern, die eingekehrt waren,
gesellten sich zu ihr; und nun kniete sie nieder, faltete die Hände und
betete leise, und alle andern mit ihr. Die Knieenden nahmen die ganze
Länge der Gallerie ein; neben der Alten knieeten ein paar schöne Enke¬
linnen. Vor ihnen ragten die himmelhohen Berge, hinter denen die
Sonnenscheibe zu verschwinden begann, unten rauschte die Passer, von
St. Leonhard tönten die Glocken herunter. Es war ein stilles Gebet,
nicht das leiseste Murmeln vernahm man; es währte lange; die Sonne
war fort, und die letzte Nöthe schwamm auf der Spitze der seitwärts
uegenden Berge. A. Lewald.