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Zweiter Theil.
i. Vinttelicia
(OvivdeXxla, BivdtXniu, welches unter August eine eigne Provinz bildete,
seit Ende des 1. Jahrh. aber mit Rätien verbunden erscheint, u. bei der
spätem Einteilung des Reichs in kleinere Provinzen den Namen Raetia
Secanda erhielt, während das eigentliche Rätien Raetia Prima hiess)
grenzte gegen N. an Germania Magna (von dem es der Danubius schied),
gegen W. an das Gebiet der Helvetii in Gallien, gegen S. an Raetia u.
Noricum, u. gegen 0. (wo der Fl. Aenus od. der heut. Inn die Grenze
bildete ) ebenfalls an Noricum, ( so dass es den nordöstlichsten Theil der
Schweiz, den südöstlichsten von Baden, den südlichsten von Würtemberg
u. Baiern u. den nördlichsten von Tyrol umfasste). Es war zum grössten
Theile eben ; nur im S. fanden sich die nördlichen Abhänge des Grenz¬
gebirges, der Alpes Raeücae (s. S. 246). Die Flüsse des Landes
waren sämmtlich Nebenflüsse des grossen nördlichen Grenzstromes Da¬
nubius (s. S. 247), nämlich von W. nach 0.: llargus (? später Hilära>
j. Iller); Guntia (j. Günz), die ihre Quellen bei einer gleichnamigen
Stadt (dem heut. Ober-Günzburg) hat; Licias (Aixiag) od. Liens, Lycus
(j. Lech) im Gebiete der Licatii, mit dem Nebenflüsse Virdo (j. Wer-
tach); Isärus (loapog, j. Isar), der aus einem Alpensee entsprin¬
gen sollte (mit dem linken Nebenflüsse Amber od. Ambra? j. Ammer);
u. Aenus (Aivog, j. Inn), der Grenzfluss gegen Noricum, der auf den
rätischen Alpen entspringt, einen nordöstlichen Lauf hat, u. zwischen Ba-
tava Castra u. Bojodurum in den Hauptstrom fällt. Ausserdem gehört nach
Yind. auch der Bvujantinus od. Brigantiae Lacus (auch L. Venetus u.
Acronius, j. Bodensee) au der Grenze von Rätien im NW. des Landes,
der vom Rhenus gebildet wird, welcher ihn durchfliesst (angeblich ohne
sein Wasser mit ihm zu vermischen) u. 460 Stad, lang ist. Von der Er¬
giebigkeit des Bodens u. den Produkten des Landes wissen wir sehr wenig;
wenn aber spätere Schriftsteller die Fruchtbarkeit u. selbst den Weinbau
Rätiens rühmen , so ist darunter unstreitig Raetia Secunda od. Vindelicien
zu verstehen. Die Einwohner, Vindelici (Oinvdehxoi, auf Inschr.
auch Findi)*) , die nicht immer streng genug von den Rätiern unterschie¬
den werden, waren nicht Germanen, sondern einer der Celtenstämme, die
sich bereits seit dem 5. u. 4. Jahrh. v. Chr. längs der Donau niedergelassen
hatten, u. zerfielen in mehrere einzelne Stämme, nämlich im W. die
Brigantii (Bgiydimoi) am östl. Ufer des Lacus Brigantinus mit derHauptst.
Brigantium {Bqiyuvrvov) od. Brigantia (j. Bregenz mit Alterth.) an
der SOspitze des Sees u. an der grossen, aus den östlichen Provinzen nach
Gallien führenden Hauptstrasse; im N. die Runicätae (cPommutcu, rich¬
tiger wohl Rucinates) u. weiter gegen S. die Leuni (Atvvoi) u. Consuan-
tae (BorßovdvTcu, od. Consuanetes, etw'a am obern Lech in der Gegend
von Schw7angau), noch südlicher die Benlauni (.Bevlavvot) u. Breuni
(ßQtvvoi, im nördl. Tyrol am Brenner, deren Hauptst. \Breunorum caput]
wahrsch. das heut. Brunecken war), u. endl. die Licatii [Alt.uxiob, Alku-t-
*) Deren Name von dem uns auch iu Vindobona, Vindomagus, Vindonissa
u. s. w. begegnenden celtischen gwyned, gwend abzuleiten ist.