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III. Aus dem Leben großer deutscher Männer und Frauen.
rationsprunk und italienischen Personal; so war denn allmählich die
Herrschaft der Italiener allgemein geworden im Reiche der Musik.
Leopold Mozart, des großen Wolfgang Vater, der am Hofe des
Salzburger Erzbischofs die Stelle eines Kapellmeisters, einnahm, kannte
die italienische Musik so gut, wie jeder deutsche Musiker sie kennen mußte.
Aber er war sich auch des Vorzugs der deutschen bewußt. Als recht¬
schaffener Deutscher verlangt er vielmehr von einem ordentlichen Musiker
Natürlichkeit, Klarheit und männliche Kraft. Obgleich er eine große
Hochachtung vor dem italienischen Gesänge hat, ist ihm im Grunde seiner
deutschen Seele das weibische Wesen der italienischen Virtuosen und ihre
zimperliche Salonmusik doch gründlich zuwider. Nach solchen Gesichts¬
punkten hatte er seine beiden Kinder gebildet, die er nun der großen Welt
vorführen wollte. Die kleinen Künstler waren handfeste Musiker und
griffen derb zu. Was sie konnten, sollte nicht blenden, sondern imponieren.
Es war vorauszusehen, daß solch zielbewußtem, aber naivem Beginnen
manch Stein tückisch in den Weg gewälzt werden würde, daß es nicht
überall auf diejenige Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit im Kunstleben
würde rechnen können, auf deren Entgegenkommen die Familie Mozart
doch angewiesen war. Die beginnende Reisezeit sollte für alle, beson¬
ders aber für Leopold, eine harte Schule und eine Quelle bitterer
Wahrheiten werden, ungeachtet aller Anerkennungen und Ehren.
Gewissermaßen als ein Vorversuch wurde im Januar 1762 zuerst ein
Ausflug nach dem nahen München unternommen, und die Bewunderung,
die die Kinder am dortigen kurfürstlichen Hofe fanden, ermunterte zu
einer Reise nach der Hauptstadt des heiligen Deutschen Reiches im Sep¬
tember desselben Jahres. Schon aus dem Wege- nach Wien erwarb
sich Wolfgang durch sein Spiel auf dem Klavier, aus der Geige und
Orgel, nicht zuletzt aber durch sein zutrauliches, aufgewecktes Wesen
überall gute Freunde, die die Wiener vornehmen Kreise schon durch
ihre begeisterten Berichte auf die Ankömmlinge neugierig machten; so
fanden denn die Reisenden selbst bei Hofe eine überraschend freundliche
Aufnahme. Die gesamte kaiserliche Familie war im vollen Wortsinne
musikalisch. Die Kaiserin Maria Theresia selbst war als Prinzessin
eine ganz hervorragende Sängerin gewesen, ihr Gemahl und alle Kinder
waren musikalisch. Sie spielten und sangen in den festlichen Gelegen¬
heitsopern vor dem ganzen Hose, und der Kronprinz, der spätere Regent
und Kaiser Joses II., war ein Meister auf dem Violoncell und Klavier.
Kein Wunder also, daß die kaiserliche Familie mit Neugierde die
wunderbare Mär von den Mozartschen Kindern vernahm und mit
eigenen Ohren sich überzeugen wollte, ob die Berichte wahr seien. Wie