32. Reden'Kaiser Wilhelms II.
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oder um seiner selbst willen, sondern weil er überzeugt war, daß ihm die
Aufgabe von oben gestellt war.
Dasselbe können wir bei allen Meinen Vorfahren verfolgen. Die
großen Kämpfe nach außen, die Entwicklung und die Gesetzgebung nach innen
sind immer nur von dem Gedanken geleitet gewesen der Verantwortlichkeit
für das ihnen übergebene Volk, für das ihnen anvertraute Land.
Der Herr Oberpräsident hat gütigerweise unsrer Reise nach Palästina I
gedacht und der dort von Mir vollzogenen Tatsachen. Ich kann wohl sagen,
daß manche und vielseitige Eindrücke erhebender Natur an Meinem Auge
vorübergegangen sind, teils religiöser, teils historischer Art, teils auch aus
dem modernen Leben. Aber von allen Eindrücken der erhabenste und er¬
greifendste war doch, nächst unsrer Feier in unsrer Kirche, der, auf dem Ölberg
zu stehn und die Stätte zu sehen am Fuße desselben, wo der gewaltigste Kanlpf,
der je auf der Erde ausgefochten worden ist, der Kampf um die Erlösung
der Menschheit, von dem Einen ausgefochten wurde. Diese Tatsache hat Mich
dazu bewogen, an dem Tage gewissermaßen noch von neuem Mir den Fahnen¬
eid zu schwören nach oben, nichts unversucht zu lassen, um Mein Volk in
sich zu einigen und das, was es trennen könnte, zu beseitigen.
Beim Verweilen aber in dem fremden Lande und an den verschiedenen
Stätten, wo für uns Germanen der uns so teure Wald und das schöne Wasser
so mangelten, fielen Mir die märkischen Seen mit ihrer dunklen, klaren Flut
und die märkischen Eichen- und Kiefernwälder ein, und da dachte Ich bei Mir,
daß wir es doch, obwohl wir in Europa zuweilen über die Achsel angesehen
werden, in der Mark weit besser haben als in der Fremde. Wenn Ich an
den Baum, an die Behandlung desselben, an die Liebe für den Wald denke,
so fällt Mir dabei ein Ereignis ein, das gerade für uns und den Anfang des
Ausbaus unsres Reiches von hohem Interesse ist.
Es war nach den großen, erhebenden Vorgängen des Jahres 1870/71.
Die Truppen waren wieder eingezogen, der Jubel und die Begeisterung hatten
sich gelegt, und die alte Arbeit und die Gründung und Entwicklung des neu¬
gewonnenen Vaterlandes sollte nun beginnen. Da saßen die drei Paladine
des großen, alten Kaisers zum erstenmal allein beim gemeinschaftlichen Mahle,
der große General, der gewaltige Kanzler und der getreue Kriegsminister;
und nachdem das erste Glas auf den Landesherrn und das Vaterland geleert
worden war, ergriff der Kanzler das Wort, und sich zu seinen beiden Genossen
wendend, sagte er: „Wir haben nun alles erreicht, wofür wir gekämpft, ge-
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1) Im Oktober 1898.