Object: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

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wohl verdient hattest. Dienstboten müssen ihren Herrschaften, wenn 
diese es sonst nur gut mit ihnen meinen, nicht Alles zu genau neh¬ 
men. Der Stand der Untergebenheit, in welchem sie leben, macht 
ihnen Dulden und Nachgeben zur Pflicht. Bei den Haus- und 
Nahrungssorgen, bei den mancherlei Verdrießlichkeiten, welche die 
Berufsgeschäfte mit sich bringen, und bei dem mannigfaltigen 
Kummer, welchen Hausväter und Hausmütter fast täglich haben, 
können sie nicht immer aufgeräumt sein. Dienstboten, die von allen 
diesen Sorgen nichts fühlen, müssen ihre Herrschaft wegen der 
üblen Laune, worin' sie sich deßhalb wohl einmal befinden kann, 
eher beklagen und mit stillem Wesen die Ausbrüche derselben er¬ 
tragen. Hüte dich, daß du nicht durch unbescheidenen Widerspruch 
und durch ein trotziges Wesen — die gewöhnlichen Fehler vieler 
Dienstmädchen — ihren Zorn reizest! Bewahre dir nur ein ge¬ 
lassenes, heitres Gemüth, und außer dem Hause sei vorsichtig 
im Umgang mit anderen Dienstmädchen, namentlich mit solchen, 
die, der Trägheit ergeben, nur einen guten Tag haben möchten, 
und dabei mehr auf eitlen Putz als auf den Nutzen ihrer Herr¬ 
schaft bedacht sind. Suchst du nur durch Treue und Fleiß, ^über¬ 
haupt durch gewissenhafte Erfüllung deiner Obliegenheiten, überall 
die Wohlfahrt deiner Herrschaft zu fördern, so wirst du gewißldir 
ihre Zufriedenheit erwerben, ja, sogar ihre Liebe gewinnen. Auf 
jeden Fall wird es dich nie gereuen, wenn du meinen mütterlichen 
Rath befolgest. 
Deine dich liebende Mutter. 
130. Meine Freuden. 
Wollt ihr meine Freuden hören? 'Meine Freude ist die Liebe, 
Ruft ein Kind aus voller Lust; Die das Herz ven Eltern weiht; 
Nun, ich will sie gern euch lehren, Des Gehorsams fromme Triebe 
Hegt sie auch in reiner Brust! Und die reine Dankbarkeit. 
Meine Freuden find die Blüthen 
Und die Blumen groß und klein, 
Die des Himmels Lust und Frieden 
Durch die weite Schöpfung streu'n. 
Meine Freude ist, zu lernen, 
Was die Tugend mir gebeut; 
Wer von ihr fich will entfernen, 
Flieht des Lebens Seligkeit. 
Meine Freüdekl find die Thiere, 
Schäfchen, Biene, Schmetterling, 
Denn in Gottes Luftreviere 
Ist mir keines zu gering. 
Meine Freude ist, zu nützen 
Jeden flücht'gen Augenblick; 
Fleiß und Tugend nur kann schützen 
Vor dem widrigen Geschick. 
Meine Freuden find die Spiele 
Mit Geschwistern lieb und hold; 
In des Abends heit'rer Kühle 
Sind fie theurer mir, als Gold. 
Meine Freuden find die Sterne: 
Stille lächeln fie herab 
Aus dem Vaterland, das ferne 
Uns der gute Vater gab.
	        
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