176
gesturus sum principatum, ut sciam rem populi esse, non meam
privatam“ (Ich will mein fürstliches Regiment so führen, daß ich
mir bewußt bleibe, wie dasselbe die Sache des Volkes, nicht meine
Privatsache ist) — dies war der Grundsatz, den er während seiner
Regierungszeit stets vor Augen hatte, und den er seinen Söhnen
später in die Feder diktierte. „Herr, tue mir kund den Weg, daraus
ich gehen soll," dieses Psalmenwort hatte er in seinen Siegelring
stechen lassen. Daher bei aller Kühnheit des Beginnens jene prü¬
fende Vorsicht, mit der er all sein Tun in den Bahnen zu halten
suchte, welche die waltende Vorsehung den Fürsten und Völkern
vorzeichnet; daher die staunenerregende Sicherheit und Festigkeit
bei der Ausführung, und daher der Segen, der seinen Schritten
folgte. Das ist das Charakteristische an allen Schöpfungen der
Hohenzollern, daß sie auf innerer Wahrheit beruhen; darum haben
sie in der Weltgeschichte Bestand und Dauer gewonnen. Friedrich
Wilhelm war es, der in einer Zeit der allgemeinen Erschlaffung
und sittlichen Verkommenheit seinem Volke ein Bild der Wahr¬
haftigkeit und Frömmigkeit, der Festigkeit, Tapferkeit und Treue
vorhielt.
Auch darin zeigte sich die hohe Begabung dieses Fürsten, daß
er von vornherein mit einer Reife und Klarheit auftrat, wie sie
andere sich erst durch die Erfahrungen und Irrtümer einer langen
Lehr- und Wanderzeit aneignen. „In einem Alter, wo die meisten
Menschen erst anfangen, Selbstbeherrschung zu lernen," so urteilt
sein großer Nachfahre über ihn, „gab er Beweise einer vollendeten
Klugheit und aller derjenigen Tugenden, welche uns würdig machen,
Menschen zu regieren." Solcher Eigenschaften bedurfte aber auch
der Fürst, um in einer Lage, wie der seinigen, die richtigen Ent¬
scheidungen zu treffen. „Seine Lage" — sagt der Geschichtschreiber
Droysen — „war unermeßlich schwierig; sie forderte die äußerste
Behutsamkeit und Verwegenheit. Mit jedem Schritt, den er wagte
oder nicht wagte, handelte es sich für ihn um alles. Mit dem.
ersten Versuch eines freien Entschlusses mußte er fürchten, in seiner
Ohnmacht zusammenzubrechen, bei dem ersten Erfolg erwarten, daß
sich die kämpfenden Mächte zermalmend auf ihn stürzten."
Aus dem wüsten Chaos, das er vorfand, suchte der jugend¬
liche Fürst sein Volk emporzureißen und, anknüpfend an die wenigen
noch vorhandenen Lebens- und Bildungskeime, mit neuer Lebens¬