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mit Schilden gedeckt, die Zitze mit weichen Brünnen belegt,- Waffen-
glanz strahlte um sie, da sie in den Saal traten, und mit schäumenden
Bechern begrüßten sie die zahlreichen Kämpfer, die schon vor ihnen
in die seligen Wohnungen eingegangen waren. Sie trinken nun den
süßen Met, den die Ziege heidrun spendet- sie schmausen gebratenes
Fleisch vom Eber Sährimnir, der am Abend wieder heil ist, um am
nächsten Tage von neuem leckere Kost zu gewähren.
Auf zwölf Stühlen sitzen die waltenden Äsen, zu oberst er selbst,
Odin, in seiner Macht, den Speer Gungnir in der Rechten, den goldenen
Helm auf dem Haupte. Er ist nicht furchtbar wie sonst, wenn er die
Scharen bändigt und den Speer des Todes über ihre Reihen schleudert;
ein mildes Lächeln verklärt sein Angesicht, denn er freut sich der
Ankunft edler Streiter. Schmeichelnd spielen um ihn seine Lieblinge,
die Wölfe Geri und Freki, denen er das Fleisch zuwirst, das ihm
gereicht war. Venn er selbst bedarf nicht der Speise; er trinkt nur
blutroten wein, mit Geist den Geist ernährend. Jetzt erhebt sich der
gewaltige Herrscher von seinem Throne; er schreitet durch die Halle,
hinauf zu seinem Hochsitze hlidskialf, und Asgard erbebt unter seinen
Tritten. Er läßt sich nieder und schaut sinnend über die Welten, weit
jenseits glüht Muspellheim, wo der rauchige Surtur, flammenumgürtet,
mit dem feurigen Schwerte noch vergeblich dräut; auf Midgard walten
die sterblichen Menschen; in der Tiefe schaffen und schürfen die Alfen,
va kommen eiligen Fluges des Herrschers Raben hugin (Gedanke) und
Munin (Erinnerung); sie setzen sich zur Rechten und Linken auf seine
Schultern und raunen ihm Geheimnisse zu, die sie auf ihrem Fluge
über die Welten erlauscht haben. Besorgt wendet der König den Blick
auf Iotunheim ; denn da ist es, wo sich bedrohliche, unheilvolle Dinge
zugetragen haben.
Sn dem fahlen vämmerscheine, der die Riesenwelt umzieht, erkennt
der König seinen alten Genossen, mit dem er im Anfange der Zeiten
den Blutbund geschlossen, Loki. Der hatte sich eine kunstvolle Wohnung
hergerichtet, in welcher er mit dem scheußlichen Iotenweib Angurboda
(Angstbringerin) waltet. Drei grauenhafte Ungetüme hatte er mit ihr
erzeugt: den Wolf Fenrir, die Schlange Jormungander und die unheim¬
liche Hel, bei deren Anblick alles Leben in Todeskälte erstarrt. Leichen¬
blaß erschien sie aus der einen Seite, dunkel wie Grabesnacht auf der
anderen. Richt minder grausig war der junge Wolf zu schauen, wie
er den blutroten Rachen aufriß, um von dem Vater Fraß zu empfangen,
und die Schlange, die sich um Angurboda wand, als wollte sie diese
in ihren Ringen zerdrücken.
Unmutig wendete Walvater den Blick von der schauerlichen Er¬
scheinung weg; da sah er seinen glänzenden Sohn hermoder vor sich
stehen. Auf Iotunheim deutend, befahl er ihm, den Äsen zu ver¬
kündigen, daß sie sich ungesäumt aufmachen und die Riesenbrul vor