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Wendroth fürchtete, daß manche seiner Jungen schlecht bestehen würden.
So leicht die Aufgabe war, so sehr er auch die vier Rechnungsarten ein—
geübt hatte, die Anwesenheit des Königs machte ängstlich. Tiefe Stille
trat ein, nur die Griffel quietschten auf den Tafeln; Wendroth lehnte
5 an einem Tische, die Jungen rechneten, ohne zum Ziele zu kommen, sie
waren eben ängstlich, der König beobachtete genau.
Da rief eine helle Stimme: „Ich bin fertig.“ Wer war es? Ha,
der kleine Jochen Müller hielt die Tafel empor. „Na mal heraus,“
lachte der König. „Wie ist das nun? Was kommt heraus?“ „Ich
10 nehme vier Thaler mit dreihundert fünfundsechzig mal, macht eintausend
vierhundert und sechzig Thaler, dann ab zweihundert vierzig Thaler,
bleibt: tausend zweihundert zwanzig Thaler.“ „Bravo!“ rief der König.
„Gut gemacht. Und wenn zwei Leute nun diese Summe teilen, wie viel
kommt auf jeden?“ Kurze Pause. „Sechshundert und zehn Thaler,“
15 sagte Jochen. „Sehr gut,“ rief der König, „das ist ein kluger Bengel.“
Wendroth hatte seine Linke auf Jochens Kopf gelegt. „Ein sehr
kluger Junge,“ sagte er, „fleißig, Majestät, sehr fleißig.“ „Glaub's,“
sagte der König. „Was sind die Eltern?“ „Arme Tagelöhner,“ sagte
der Lehrer. „Werde nachsehen lassen,“ entschied der König; „hier, Jochen,
20 sind zwei Dukaten und immer ordentlich rechnen!“
Der Jubel der Jungen war groß; der König ward umringt, und
da er sich gnädig über die Leistungen aussprach, auch noch andere Auf—
gaben glücklich gelöst wurden, konnte Wendroth mit dem Tage zufrieden
sein. Nach einer Besprechung mit dem Pastor und dem Schulzen stieg
der König wieder in seinen Wagen. Die Dorfbewohner umstanden das
Fuhrwerk; Jochen war der Held des Tages, er sollte in das Potsdamer
Waisenhaus kommen. Als der König abfuhr, rief alles ein don—
nerndes „Hoch“.
4. Wends langte der König in Soldin an. Beim Domänenrat war
30 der gewünschte Imbiß bereitet. „Sieht Er,“ sagte der König beim Ab—
schied, „ich habe heute meine Tagfahrt gemacht. Soldaten, dann die
Kassen, dann die Schule. Ich weiß wohl, da draußen im Reiche nennen
sie mich einen Unteroffizier. Ja, laßt sie nur; ich kenne mein Land und
meine Mittel, und ich werde die Jungen nicht in der Dummheit auf—
35 wachsen lassen. Denn es wird der Tag kommen, wo Geld, ein offener
Kopf mit guter Weisheit drin und gute preußische Soldaten notwendig
sind, und kein Engländer oder Franzose soll über uns Deutsche gebieten;
dafür will ich allen Preußenkindern Degen und Pistolen in die Wiege
geben, damit sie die fremden Völker aus Deutschland abhalten helfen.
10 Geld braucht man auch dabei, und ich spare für die Zukunft; also
haltet wie bisher zusammen, und geht's einmal drauf, werden wir
mit dabei sein. Adieu, ich bin zufrieden mit Ihm, brave Wirtschaft