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ihr Stolz. Da saßen vor den Thoren z. B. die Einnehmer der Waren—
steuer, alte Soldaten des Königs, die seine Schlachten gewonnen hatten
und im Pulverdampf ergraut waren; sie rauchten aus ihrer Holzpfeife,
erhielten ein sehr geringes Gehalt, waren aber vom frühen Morgen bis
s zum späten Abend zur Stelle und thaten ihre Pflicht pünktlich, wie alle
Soldaten pflegen.
Da war in jeder Kreisstadt ein Einnehmer der Steuern; er hauste
in einer kleinen Dienststube und sammelte in einer großen Schüssel
die Steuern, die die Schulzen allmonatlich in seine Stube trugen.
10 Gering war die Besoldung des Mannes; er saß, nahm ein und packte
in Beutel, bis sein Haar weiß wurde und die zitternde Hand die
Zweigroschenstücke nicht mehr zu fassen vermochte. Und der Stolz seines
Lebens war es, daß der König auch ihn persönlich kannte, und wenn
er einmal durch den Ort fuhr, während des Umspannens schweigend
15 nach ihm hinsah. Wie Friedrich auf den Schlachtfeldern seinen Adel
gelehrt hatte, daß es die höchste Ehre sei, für das Vaterland zu sterben, so
mahnte sein unermüdliches, pflichtgetreues Sorgen auch den kleinsten
seiner Diener im entlegensten Grenzort, daß er zum Besten des Landes
zu leben und zu arbeiten habe.
5. Auch als schon hohes Alter den Rücken krümmte, ließ Friedrich
der Große in seiner Thätigkeit nicht nach. Mit Recht verehrten und
liebten ihn seine Unterthanen wie einen Vater. Wenn „der alte Fritz“
unter sie trat im einfachen blauen Soldatenrock, in hohen, über die
Kniee gehenden Stiefeln, den großen dreieckigen Hut auf dem Kopfe,
25 die Hand auf seinen Krückstock gestützt, so war das ein festliches Er—
eignis für sie.
6. Und wie das preußische Volk auf seinen König stolz war, so
verehrte man den großen Fürsten auch im Ausland und zollte ihm die
höchste Ehrfurcht und Bewunderung. Doch war sein Alter freudenloser
30 als die frühern Jahre. Der Tod raubte ihm nach und nach die teuersten
Familienglieder und seine liebsten Genossen. Es wurde immer einsamer
um ihn her. Die Verehrung, die ihm das dankbare Volk widmete, hielt
ihn indes für manche Entbehrung schadlos. Als am 17. August 1786
sein Auge brach, da erfüllte tiefe Trauer alle Herzen. Friedrich, die
Zierde und der Stolz, der Vater und Erzieher, der wohlthätige Freund
seines Volkes, war nicht mehr. Mit Preußen wurde die ganze Welt,
von den Thronen bis in die Hütten, von der großen Trauerkunde tief
ergriffen.“ Nach den Ergänzungen zum Seminarlesebuch.
Merkworte: 1. „Hätte ich mehr als ein Leben, ich wollte es für mein Volk
0 hingeben.“
2. „Der Fürst ist der vornehmste Diener seines Volkes.“
3. „Mein Leben ist auf der Neige; die Zeit, die ich noch habe, muß ich benutzen.
Sie gehört nicht mir, sondern dem Staate.“
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