c
373
Die höchsten Rältegrade sind gewöhnlich nur bei heiterm,
ruhigem Wetter, und das prachtvolle Petersburg hat daher in der
Regel seinen „schönsten, heitersten Tag“ bei 30 bis 35 Grad Rãlte.
Der Himmel ist hell; die Sonne strahlt um so glänzender, da ihre
Strahlen durch Millionen kleiner, blinkender Eiskrystalle hindurch-—
schiessson, mit denen die Luft gleich wie mit Diamantstaub erfüllt
ist. Aus allen Häusern und selbst aus den geheizten Kirchen wir—
beln dicke Rauchsäulen, die in der Klaren Luft so dicht erscheinen,
als ob in jedem Hause eine Dampfmaschine stände, und dabei in
allen Farben spielen. Schnee und Eis auf den Strassen und der 10
Newa sind weills und reinlich, als wäre alles aus Zucker gebacken.
Die ganze Stadt hat das zierlichste Gewand in der Farbe der
Unschuld, und alle Dächer blitzen von einer gleichmässigen Lage
schimmernden Rrystallstaubs. Der getretene Schnee knistert und
heult die sonderbarsten Melodieen, und alle Laute nehmen in dieser 15
kalten Luft andere Klänge an. Es liegt Wahrheit in der Redensart:
„Es friert, dals es brummt?“; denn beständig zieht ein leises Rauschen
oder Brummen durch die Luft, das von all dem erklingenden Schnee
und Eise herkommt.
393. Der frohe Wandersmann.
1. Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den schickt er in die weite Welt;
dem will er seine Wunder weisen
in Berg und Wald und Strom und Feld.
2. Die Bächlein von den Bergen
die Lerchen schwirren hoch vor Lust;
was sollt' ich nicht mit ihnen singen
aus voller Kehl' und frischer Brust?
3. Den lieben Gott laß ich nur walten;
der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
und Erd' und Himmel will erhalten,
hat auch mein' Sach' aufs best bestellt.
springen;
4
25
22
30
Jos. v. Eichendorff.
394. Wie die Nordsee nimmt und giebt.
Es war zur Zeit des dreißigjährigen Krieges, im Jahre 1634, als 35
ein anhaltender Westwind große Wassermassen vor sich her durch den
englischen Kanal in die Nordsee trieb. Der zum heftigen Sturme ge—
wordene Wind drehte sich plötzlich nach Nordwest und trieb die hoch—
gehenden Wogen der Nordsee mit großer Gewalt gegen die schwach