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denn wer beim ersten Kuckucksrufe kein Brot in der Tasche hat, der
kriegt auch das ganze Jahr keins hinein.
Die Paten hatte ich oft sagen hören, wenn man den Kuckuck zum
erstenmal höre und einen Pfennig in der Tasche habe, würde einem
das ganze Jahr das Geld nicht ausgehen, und wenn man kein Geld
bei sich trage oder gar was verlöre, würde man auch das ganze Jahr
Mangel daran leiden.
Ein Pfennig wäre schon genug gewesen; aber was half uns das?
Unsere Eltern hatten vor drei Tagen ihr Letztes für eine ältere Schuster-
schuld hingegeben und besaßen nicht einen roten Heller mehr.
Wir grämten uns indes nicht allzusehr, mußten uns nun aber
sputen, da der Vater doch gewiß schon hungrig nack uns ausguckte.
Als wir eben in die hohen Buchen auf dem Hungerberge kamen,
schimmerte uns ein ballartig zusammengeknittertes Stück Papier ent¬
gegen. Wir hoben es auf, lösten es auseinander und kernten — wer
beschreibt unsern freudigen Schrecken — und kernten einen blanken
halben Gulden aus dem Papierballe. Wir waren so starr, daß wir uns
nicht vom Flecke rühren konnten. Ein blanker halber Gulden? War
das nicht Blendwerk? Oder sollte der Kuckuck . . . ? „O, o, nun haben
wir das ganze Jahr viel Geld!" schrien wir. „Hurra! Hurra! Was
wird der Vater für Augen machen, wenn wir den kostbaren Fund ihm
zeigen! Ganz gewiß wird er die Axt in den obersten Baumwipfel werfen
und mit uns singen und springen. Und dann die Mutter — na, die
wird eine Stunde dastehen und das unverhoffte Glück ganz und gar
nicht zu fassen wissen."
Als wir auf den jungen Hau kamen, zeigten wir, glühend wie
Backofenkohlen, dem Vater unseren Fund. Seine Augen leuchteten
auf; aber die Axt flog nicht in den Baumwipfel. „Kinder," sagte er
nach einer Minute stillen Bedenkens, „laßt euch vom Kuckuck nicht die
Augen verblenden. Er ist ein loser Schelm, berückt die Leute gern und
führt sie an der Nase herum. Wer was hat, dem wirft er was zu; wer
aber nichts hat, der kriegt auch nichts. Ihr aber habt weder ein Krüm¬
chen noch einen Kreuzer bei euch — auch der halbe Gulden ist nicht euer
eigen, er ist gefunden — der Kuckuck wird euch was pulsten." Der Vater
nahm den halben Gulden in die Hand, betrachtete ihn noch einen Augen¬
blick und wickelte ihn sorgfältig wieder ein. ,'Maubt mir, Kinder,"
sagte er, „es nützt uns nichts, llnd es hängt gewiß ein gramvolles Herz
daran!"
Wir waren sehr enttäuscht und ganz geknickt. Indem bemerkten
wir in einiger Entfernung einen alten Mann, der mit tiefgebeugtem
Haupte zwischen den Bäumen hin- und herging und allerlei seltsame
Gebärden machte, erst tief herab auf den Boden, dann hinauf zu den
Baumwipfeln sah und wie in heller Verzweiflung die Hände rang.
Ergriffen verfolgten wir eine Minute sein Tun; dann rief ihm der Vater
zu: „Suchst du was, Hanchristoph? Hast du was verloren?"