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Der Mann wandte sich um und wankte auf uns zu. „Ach Gott
— ihr seid's — 's freut mich!" rief er. „Ihr wißt, daß heute Maitag
ist — und daß der Kuckuck gerufen hat — und daß das eine Freude ist,
wenn man Geld in der Tasche hat — Geld in der Tasche, unsereiner!
Ach, du lieber Gott! Hört, wie mir's ergangen ist! Wir sind an Brots¬
enden — und ich wollte zur Feierabendstunde in der Holzmühle vor¬
gehen und Mehl mitbringen. Wollt's gestern schon tun, sagt aber Ja-
nechen, meine Frau: Tu's morgen, weil's dann Maitag ist, und weil
dann vielleicht gerade der Kuckuck mft; hast dann entweder Geld oder
Mehl bei dir. Gut, wir hatten gerade noch einen halben Gulden, den
steck ich heute morgen bei. Janechen hat ihn, daß ich ihn nicht verliere,
dick mit Papier umwickelt."
Jetzt schluchzte der alte Holzhauer aus wie ein Kind, während in
uns ein mächtiger Jubel aufstieg.
„Und wie ich vor einer balben Stunde nach dem halben Gulden
fühle," fährt der Alte in seinem Jammer fort, „da — ach Gott, ach
Gott — ist er weg, rein wie weggehext. Und ich weiß nicht, wohin er
gestoben und geflogen ist. Jedes Lindenblatt habe ich umgewandt:
ich finde ihn nicht, und denkt euch mein Gefühl, wie der Kuckuck nun
zu rufen anfängt und immer näher kommt — gerade, als wollt' er's
mir recht zum Hohne tun. O, wo kriege ich meinen halben Gulden
wieder?"
„Da — Kinder — gebt dem Hanchristophvetter den halben Gulden!"
rief unser Vater strahlenden Auges. Es war auch die höchste Zeit; denn
wir konnten uns nur noch mit großer Mühe halten.
Der Hanchristoph war erst wie ganz versteinert; dann zwang er
sich zu einem schwermütigen Lächeln. „Ja, Hanfrieder, dazu wärst
du imstande," gluckste es aus seiner Kehle, „du bist ein rechter Linden¬
hüttenmann, gerade wie dein Vater und dein Großvater, den ich auch
noch ganz gut gekannt habe. Das Hemd vom Leibe gaben sie einem
armen Schlucker hin. Aber es ist mir genug, daß ich den Willen seh,
und darum stecke den halben Gulden nur wieder bei. Gott rechne euch
den Willen für die Tat. Ich weiß nicht, ich spüre auf einmal was in
mir, daß ich mich fast schämen möchte. Sei versichert, Hanfrieder, nun
werde ich den Verlust leichter verschmerzen."
Wir Kinder verstanden den Alten nicht gleich. Unser Vater aber
lächelte eigentümlich und sagte: „Hanchristoph, du sprichst mir einen
Edelmut zu, den ich nicht bewiesen habe: du meinst, ich hätte dich be¬
schämt, und umgekehrt ist's: du hast mich beschämt. Die Kinder haben
ja den halben Gulden gefunden."
„Und er ist dick mit Papier umwickelt gewesen," fielen wir nun
aufs lebhafteste ein. „Also wird's wohl dein leibeigener Gulden sein!"
drängte der Vater, als der Alte noch gar nicht zugreifen wollte. Erst
nach längerer Pause fragte er zitternden Tones: „Ist's denn wirk¬
lich wahr, Hanfrieder, Kinder?"