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auf. „Lene,“ sprach er zu seiner Frau, „geschwind spring hinauf
und hole ein feines Hemd und meinen Sonntagsstaat herunter, daß
der gute Freund da sich umkleiden kann!“ Der Schneider wollte
allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt ihm den Mund
zu und sagte: „Schweig, und sprich mir kein Wort dagegen! Du
hast’s wohl um mich verdient, daß ich mein bißchen Hab und Gut
mit dir teile.“ Es half nichts; der Schneider mußte sich putzen
und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot ihm, sich
gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause wäre, und
nachdem er in möglichster Eile sein Tagewerk vollends geendet
hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und ließ alle seine Leute
hereinkommen, daß sie den Fremden nun recht genau besehen
konnten« Dabei erzählte er ihnen denn, wer der Fremde eigent¬
lich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen Freundschaft für eine
Bewandtnis habe. Da hatten alle eine herzliche Freude über den
Ankömmling, besonders aber die Frau vom Hause, die ihren Mann
sehr liebte und oft dem guten Schneiderburschen, der in Polen
eine so treue Stütze für ihren Mann gewesen war, ehe sie ihn persön¬
lich kannte, Gottes Segen gewünscht hatte. Der Meister ließ noch
am nämlichen Abend zwei fette Gänse schlachten und auf den fol¬
genden Tag alle Freunde und Gevattern des Dorfes zu sich zu Gaste
laden. „Juchhei! das soll mir ein Freudentag werden!“ rief er laut
auf — und schwang dabei seine Mütze vor Freuden. Der Sonntag
kam, und in der Schmiede ging’s so fröhlich her, als wenn es Kind¬
taufe gewesen wäre. Nachdem die Mahlzeit geendigt war, erzählte
der Schmied alle seine Erlebnisse und besonders, was er seinem Kame¬
raden für einen Liebesdienst zu verdanken habe. Der Schneider
mußte dann seine Erlebnisse auch erzählen, und die Gäste gewannen
ihn so lieb, daß sie durchaus darauf bestanden, er solle sich in diesem
Dorfe häuslich niederlassen und ihr Schneider werden. Der Schmied
jauchzte darüber laut und versprach, ihn mit Geld zu unterstützen,
soviel er könne. Er hielt auch Wort; der Schneider fand sein reich¬
liches Brot im Dorfe, verheiratete sich mit einer guten Wirtin und
lebte froh und glücklich. Ewald.
38. Herr von Ribbeck aus Ribbelt im Havelland.
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
ein Birnbaum in seinem Garten stand,
und tarn die goldene Herbsteszeit,
und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
und kam in Pantinen ein Junge daher,
so rief er: „Junge, wiste 'ne Beer?"