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2. So pocht dein Herz nun Tag für Tag,
Und endlich thut es den letzten Schlag,
Und wie es den letzten Schlag gethan,
Da pocht es selber am Himmel an
Und stehet draußen und wartet still,
Ob ihm Gott Vater nicht öffnen will,
Und stehet draußen und harret fein,
Er wolle rufen: Herein! herein!
Und sprechen: Komm nur, mein lieber Gast,
Ich fand auch bei dir gar fromme Rast;
Wie du gethan, so gescheht dir heut;
Geh ein in des Himmels ew'ge Freud'!
13. Das Schwalbennest.
(Nach Albert HaesterS.)
Luise kam zur Mutter und sprach: „Mutter, komm, ich will
dir etwas sehr Hübsches zeigen!"
„Was willst du mir zeigen?" fragte die Mutter.
„O komm nur, du sollst es sehen!" antwortete das Kind,
„es ist ganz allerliebst." — Die Mutter ging mit ihr.
Luise führte die Mutter an ein Fenster und sagte leise:
„Blicke einmal in die Höhe!" Die Mutter that,es und sah
oben am Dache ein Schwalbennest, aus dessen Öffnung vier
Schnäbelchen herausgestreckt waren und vier Paar Äuglein her¬
ausblickten.
„Nun gieb acht!" rief das Kind.
Die Mutter gab acht und sah eine Schwalbe eiligst herbei¬
fliegen; diese trug eine Fliege im Schnabel und legte sie schnell
in das geöffnete Schnäbelchen des einen jungen Vogels, flog
hinweg und kam wieder und nochmals und abermals. Und jedes¬
mal brachte sie eine Fliege mit und legte sie der Reihe nach in
einen der vier offenen Schnäbel. Nun waren alle vier gefüllt.
Die Jungen zwitscherten fröhlich, und die alte Schwalbe flog
hoch in die Luft und zwitscherte hell und lustig darein.
„Ist dies nicht niedlich zu sehen?" fragte das Kind.
„Ganz gewiß," sagte die Mutter, „es gefällt mir sehr. Es
kommt mir gerade so vor, als wenn ihr, du und die Brüder
und Schwestern, des Morgens oder Mittags um den Tisch her
sitzet."
„Und du gibst uns Speise, liebe Mutter!" fiel Luise ein.
„Ja!" fuhr die Mutter fort, „und ihr seid dann auch so
fröhlich dabei, wie die Schwalben hier!"