Full text: Lesebuch für die Mittelstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

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dem Rathause hing. Auf diese, dachten sie, könnte das Kriegs- 
volk ein besonderes Außge haben und Büchsen daraus gieben 
wollen. So wurden sie denn nach langem Ratschlagen eins, 
dieselbe bis zum Ende des Krieges in den See zu versenken und 
sie, wenn der Feind abgezogen wäre, wieder herauszuziehen 
und aufzuhängen, Sie bestiegen also ein Schisff und fuhren mit 
der Glocke auf den See, Als sie aber die Glocke hineinwerfen 
wollten, da fiel es einem unter ihnen ein, wie sie den Ort wohl 
wiederfinden könnten, wo sie die Glocke ausgeworfen hätten. 
„Da laß dir keine grauen Haare wachsen,“ sagte der Schultheiß 
und schnitt mit dem Messer eine Kerbe in das Schiff an dem 
Ort, wo sie die Glocke in den See versenkten. „Hier bei dem 
Schnitte,“ sprach er, „wollen wir sie wiedersfinden.“ So ward 
die Glocke hinausgeworfen und versenkt. Lange nachher, als 
der Krieg vorüber war, fuhren sie wieder auf den See, ihre 
Glocke zu holen. Den Kerbschnitt an dem Schiffe fanden sie 
richtis wieder, aber den Ort, wo die Glocke war, zeisßte er ihnen 
nicht An. So mangelten sie forthin ihrer guten Clocke. 
2. Wie die Schildbürger Licht ins Rathaus bringen. 
Dilie Schildbürger hatten ein Rathaus gebaut, aber dabei die 
Fenster vergessen. Als sie es nun einweihen wollten, siehe, da 
war es ganz finster, so dass einer den andern nicht sehen konnte. 
Die Ursache blieb ihnen aber unbekannt, so sehr sie auch ihre 
Köpfe darüber zerbrachen; endlich beschlossen sie, zur Ergrün- 
dung der Sache einen Ratstag zu halten. Als der festgesetzte 
Ratsstas gekommen war, stellten sich die Schildbürger allesamt 
ein, zündeten ein jeder einen Lichtspan an, damit sie in dem 
linstern Rathause einander sehen könnten, und lieben dann 
ihre Meinungen vernehmen, Die Mehrheit schien sich dahin zu 
neigen, dab man den ganzen Bau wieder bis auf den Boden ab- 
brechen und auss neue aufführen sollte, Da trat einer hervor, 
der stets unter ihnen der allerweiseste gewesen, und sprach: 
„Wer weib, ob das Licht oder der Tag sich nicht in einem Sack 
tragen läßi, gleichwie das Wasser in einem Eimer getragen 
wird. Keiner von uns hat es jemals versucht. Darum, wenn es 
euch gefällt, so wollen wir darangehen. Gerät's, so haben wir 
es um so besser und werden großes Lob erjagen: geht es aber 
nicht, so soll uns doch der Versuch nicht gereuen, Dieser Rat 
schien allen Schildbürgern dermabßen gut, daß sie beschlossen, 
denselben in aller Eile auszuführen. Deswegen kamen sie nach 
Mittas, wann die Sonne am meisten scheint, vor das neue Rat- 
haus, éein jeder mit einem Geschirr, in das er das Tageslicht zu 
fassen gedachte. Es brachten auch etwelche Schaufeln, Karste 
und Gapeln mit, daß ja nichts verabsaumt werde. Sobald nun 
die Glocke eins geschlaßgen, da Konnte man Wunder sehen, wie 
sie zu arbeiten anfinsen, Viele hatten lange Säcke, derein ließen 
Lesebuch für die Piittelstufe.
	        
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