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V. Aus der vaterländischen
lich machte, wurde Deutschland genötigt, seine Bedürfnisse durch die Erzeug⸗
nisse des eigenen Landes zu befriedigen; und so kam es, daß man sich hier
mit erfreulichem Erfolg auf den Anbau von Tabak, Zuckerrüben, Cichorien
und Olgewächsen legte, und daß der deutsche Gewerbfleiß, nunmehr befreit
von dem englischen Mitbewerb, einen lohnenden Markt für seine Waren
fand und sich daher günstig entwickelte. Von großer Bedeutung für die
Kräftigung des deutschen Außenhandels war die 1834 von Preußen geschaffene
Gründung des Zollvereins. Deutschland war jetzt auf dem Gebiete des
Handels eine Macht, mit der die übrigen handeltreibenden Staaten rechnen
mußten. Durch Handelsverträge, die den deutschen Waren Absatzgebiete
sicherten, gewann der deutsche Handel immer größeren Aufschwung. An
überseeischen Plätzen gründeten Hamburger und Bremer Kaufleute Handels—
niederlassungen und Warenniederlagen, und Hand in Hand mit dem See—
handel entwickelten sich die Reedereien. Schon in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts ward der Grund gelegt zu jenen großen Schiffahrtsgesell—
schaften, die heute die staunende Bewunderung und den Neid des Auslandes
erregen. Und wie bescheiden war doch der Anfang dieser Unternehmungen!
Die Hamburg-Amerika⸗Linie eröffnete ihre Paketschiffahrt 1847 mit drei
Segelschiffen. Der Norddeutsche Lloyd in Bremen unternahm 1857 seine
erste transatlantische Fahrt mit dem Dampfer Bremen, auf dem sich ein
einziger Kajütenfahrgast befand. Und heute? — Die Hamburg-Amerika—
Linie hat 78 Dampfer, die in regelmäßigen Fahrten den Ocean durchkreuzen,
darunter eine Anzahl von Schiffen, die nicht allein an Größe sondern auch
an Fahrgeschwindigkeit wie an Schönheit und Zweckmäßigkeit ihrer Ein—
richtung den ersten Platz unter allen Schiffen der Welt einnehmen. Das
Betriebskapital dieser Gesellschaft beträgt nicht weniger als 80 Millionen
Mark. Nicht minder günstig hat sich der Norddeutsche Lloyd entwickelt, der
105 Oceandampfer im Betrieb hat. Heute nimmt der deutsche Außenhandel
mit einem jährlichen Ein- und Ausfuhrbetrag von 10 Milliarden Mark, wovon
7 Milliarden auf den Seehandel kommen, bereits die zweite Stelle auf dem
Weltmarkt ein. Demgemäß behauptet auch die deutsche Handelsflotte hin—
sichtlich ihrer Leistungsfähigkeit unter allen seefahrenden Völkern den zweiten
Rang. Die Hauptaufgabe unseres Seehandels ist die Einfuhr von Rohstoffen,
z. B. Kolonialwaren, Petroleum, Farbhölzern — und die Ausfuhr von
Fabrikaten. Hand in Hand mit der deutschen Reederei hat sich auch der
deutsche Schiffsbau vervollkommnet, dessen Leistungen selbst den höchsten An⸗
forderungen unserer Zeit völlig entsprechen.
Aber wie viel günstiger ist auch heute die Lage des deutschen Kauf—
mannes als die seines Vorfahren! Ist doch das neue deutsche Reich ein
einziges großes Handelsgebiet ohne jegliches Hemmnis durch Zollschranken
oder ähnliche Schwierigkeiten; und einen unvergleichlichen Aufschwung hat