C. Aus der Geschichte unsers Vaterlandes.
Dörfern Frankens und Thüringens blieben nur einzelne übrig. Was
noch von Kraft in einer Ecke des Landes gedauert hatte, jetzt wurde
es zerbrochen. — Der Krieg aber wütete von dieser Schreckenszeit ab
noch zwölf lange Jahre. Auch er war schwächer geworden, die
Heerhaufen kleiner, die Kriegszüge aus Mangel an Lebensmitteln und
Tieren unstäter und planloser; aber wo die Kriegsfurie aufflackerte,
fraß sie erbarmungslos weg, was sich noch von Leben zeigte. Das
Volk erreichte die letzte Tiefe des Unglücks; ein dumpfes, gleichgültiges
Brüten wurde allgemein. Von den Landleuten ist aus dieser letzten
Zeit wenig zu berichten. Sie lebten verwildert und hoffnungslos
dahin; nur geringe Nachrichten sind in Dorfurkunden, Pfarrbüchern
und kleinen Chroniken zu finden. Man hatte in den Dörfern das
Schreiben, ja fast die laute Klage verlernt. Wo ein Heer verwüstet
hatte und der Hunger wütete, fraßen Menschen und Hunde von
demselben Leichnam; Kinder wurden aufgefangen und geschlachtet.
Daß jetzt eine Zeit gekommen war, wo solche, die zwanzig Jahre des
Leidens ausgehalten hatten, selbst Hand an sich legten, das lesen
wir aus Berichten der Gesandten, die jahrelang vergeblich an dem
großen Frieden arbeiteten.
Man mag fragen, wie bei solchen Verlusten und so gründlichem
Verderb der überlebenden überhaupt noch ein deutsches Volk geblieben
ist, das nach geschlossenem Frieden wieder Land bauen, Steuern zahlen
und nach einem dürftigen Vegetieren von hundert Jahren wieder
Energie, Begeisterung und ein neues Leben in Kunst und Wissenschaft
zu erzeugen vermochte. Allerdings ist wahrscheinlich, daß sich das
Landvolk ganz in schwärmende Banden aufgelöst hätte, und daß die
Städte niemals imstande gewesen wären, ein neues Volksleben
hervorzubringen, wenn nicht drei Gewalten den deutschen Landmann
vor der gänzlichen Zerstreuung bewahrt hätten: seine Liebe zu dem
väterlichen Acker, die Bemühungen seiner Obrigkeit und
vor allem der Eifer seines Seelsorgers, des Dorfpfarrers.
Des Bauern Liebe zur eigenen Flur, noch jetzt ein starkes Gefühl,
das gegen die wohltätigsten Ackergesetze feindlich arbeitet, war im
siebzehnten Jahrhundert noch um vieles mächtiger. Denn der Bauer
kannte außerhalb der eigenen Dorfflur sehr wenig von der Welt, und
die Schranken, welche ihn von einem anderen Lebensberuf und anderer
Herren Land trennten, waren schwer zu übersteigen. So lief er mit
Zähigkeit immer wieder aus seinem Versteck nach dem zerstörten Hofe
und versuchte immer wieder die zerstampften Ähren zusammenzulesen
*
112—