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62. Das Leben der Wörter.
für Diadem, Königshalle für Palast, Königshimmel für Baldachin.
Königskranz für die Krone ist noch bei dem Pfingstkönig üblich. Andere
Wörier verdanken ihren Ursprung königlichen Pflichten und Rechten,
wie Königszins, Königs-(Reichs-)Straße (für die Landstraße, die unter
seinem Schutze steht), Königsfrieden (der in des Königs Namen ver—
langt und von ihm gewährt wird), Königsritt. Nicht leicht war das
Königslos, denn manche Königssorge bedrückte den Herrscher; schwer
war es oft, die Königsehre zu wahren; oft ward der Königszorn er—
regt. Bedeutsame geschichtliche Erinnerungen ruft der „Königsstuhl“
wach, wie noch einige Berge heißen, wo unter freiem Himmel Königs—
wahl oder Königsgericht stattfand. — Hierher gehören auch die zahl⸗
reichen Ortsnamen, die einen ehemaligen Besitz oder Lieblingsaufent—
halt des Königs anzeigen, wie Königsberg, Königswalde, Königshofen.
Auf Könige geringerer Art beziehen sich Königsschuß, Königsschmaus.
Tiere, Pflanzen und die verschiedensten Dinge aller Art sind dem König
zu Ehren oder um sie selbst als die besten, schönsten oder wichtigsten
ihrer Art zu bezeichnen, nach ihm benannt. Wir erwähnen nur bei
den Tieren: Königstiger, Königswiesel (Hermelin), Königsschlange; bei
den Pflanzen: Königskerze, Königskrone, Königsapfel, Königsrose (Päonie).
Nach all diesem bunten Wechsel von Bedeutung und Verwendung kann
es nicht wunderbar erscheinen, wenn auch unter den Familiennamen
„König“ ein außerordentlich häufiger ist, und es ist bedeutungsvoll,
wenn Gustav Freytag diesen gerade für das Geschlecht auswählt, in
dessen Schicksalen er ein Idealbild deutschen Wesens, deutscher Kultur
und Geistesentwickelung entworfen hat.
Unauflöslich, also bezeugt es uns die Sprache, sind deutsches
Volkstum und Königtum mit einander verflochten und werden es bleiben,
solange es deutsche Art geben wird.
Nach einer Zeitschrift unter Benutzung des Grimmschen Wörterbuches.
62. Das LTeben der Wörter.
Worte sind der Seele Bild —
Nicht ein Bild! Sie sind ein Schatten!
Sagen herbe, deuten mild,
Was wir haben, was wir hatten.
Goethe.
Was wir hatten! — Das Leben von Jahrtausenden hat in der
Sprache einen Körper erhalten. Sie ist dem Denker Schritt für Schritt
gefolgt und hat sich ihm angepaßt. Die unendliche Zahl der Erschei—
nungen, die unermeßliche Fülle seelischen Lebens, alles drängte nach
Benennung. Um diesem Bedürfnisse gerecht zu werden, mußte die
Sprache ein gefügiges Werkzeug sein, sie mußte entwickelungsfähig
sein. Und wie sich alle Künste gewandelt haben, so hat auch die