es waren rund 600 Vertreter des dritten Standes, je 300 des
Klerus und des Adels. Die Regierung hatte kein Programm,
sie hatte nicht einmal die Frage entschieden, ob die Vertreter
der drei Stände getrennt oder zusammen tagen, nach Köpfen
oder nach Ständen abstimmen sollten. Der König hielt in Wider¬
spruch mit einer früheren bestimmten Erklärung in seiner An¬
sprache am Absolutismus fest. Der dritte Stand, der ge¬
meinsame Tagung verlangte, konstituierte sich, nach einer
letzten Einladung an die beiden andern Stände zum Beitritt,
der sofort einzelne Geistliche folgten, am 17. Juni unter seinem
„doyen“ Bailly als „Nationalversammlung“; diese sprach
die Genehmigung zu vorläufiger Weitererhebung der Steuern,
sowie die Garantie der Nation für die Staatsschuld aus und
schwur, als die Regierung ihren Sitzungssaal schliessen liess,
am 20. Juni imBallhaus, nicht auseinanderzugehen, „ehe die
Verfassung des Königreichs aufgerichtet und fest begründet sei“.
Die Mehrheit des Klerus vereinigte sich am 22. Juni mit dem
Tiers-état. Am 23. Juni fand eine königliche Sitzung statt, in
der die bisherigen Beschlüsse der Nationalversammlung für un¬
gültig erklärt und nur wenige Reformen ziemlich unbestimmt
in Aussicht gestellt wurden; aber dem Befehl, dass die drei
Stände zu gesonderter Beratung auseinandergehen sollten, leistete
der dritte Stand und ein Teil des Klerus keine Folge, und als
der königliche Zeremonienmeister den Befehl wiederholte, wurde
er von Mirabeau1) hinausgewiesen. Der König verfügte
nun 27. Juni die, zum grossen Teil thatsächlich schon voll¬
zogene, Vereinigung der drei Stände.
Aber schon kam es in Paris, wo das Palais royal des falschen
und ehrgeizigen Herzogs Philipp von Orléans der Sammelpunkt
eines demokratischen Klubs wurde, zu Unruhen und Meutereien
einzelner Truppenteile; die Entlassung Neckers (11. Juli)
und die hiedurch noch verstärkte Furcht vor einem Staatsstreiche
steigerte die von geschickten Demagogen, wie Camille Des-
moulins, geschürte Gärung in Paris, das die Truppen räumten:
der Wählerverein bildete aus Mitgliedern der bisherigen
Stadtverwaltung und gewählten Vertretern der 120 Distrikte
eine neue Stadtverwaltung und eine Bürgerwehr
mit blaurot weis ser Kokarde, als den Farben der Stadt
Paris und der bourbonischen Lilien, den Anfang der National-
0 Gabriel Honoré Riquetti Graf von Mirabeau, 1749 geb., in Aix vom
dritten Stand gewählt, war durch seine ausserordentlichen rednerischen und
schriftstellerischen Eigenschaften, sowie durch seine staatsmännischen Fähig¬
keiten und Kenntnisse der berufene Leiter der Bewegung, wenn er sittlich
auf gleicher Höhe gestanden hätte.