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95. Meister Pfriem.
Vlhelm Grimm.
Linder.· und HNausmãrehen, gesammelt dureh die Brüder Grĩmm. Grosso Ausgabe. 10. Ausl.
Berlin. 1872. 8. 611.
lZuorst in: Berliner Taschenbueh, herausgegeben von Hermann Kletke, Alexander Duncker,
Aduard Hänel. Berlin. 1843. 8. 1681
Meister Pfriem war ein kleiner, hagerer, aber lebhafter Mann,
der keinen Augenblick Ruhe hatte. Sein Gesicht, aus dem nur die
aufgestülpte Nase vorragte, waͤr pockennarbig und leichenblaß, sein Haar
rau und struppig, seine Augen klein, aber sie blitzten unaufhörlich rechts
und links hin. Er bemerkte alles, tadelte alles, wußte alles besser und
hatte in allem recht. Ging er auf der Straße, so ruderte er heftig
mit beiden Armen, und einmal schlug er einem Mädchen, das Wasser
trug, den Eimer so hoch in die Luft, daß er selbst davon begossen
ward. „Schafskopf,“ rief er ihr zu, indem er sich schüttelte, konntest
du nicht sehen, daß ich hinter dir herkam?“ Seines Handwerks war
er ein Schuͤster, und wenn er arbeiteie, so fuhr er mit dem Draht so
ewaltig aus, daß er jedem, der sich nicht weit genug in der Ferne
sielt, die Faust in den Leib stieß Kein Goselle blieb laͤnger als einen
Monat bei ihm, denn er hatte an der besten Arbeit immer etwas aus—
jusetzen. Bald waren die Stiche nicht gleich, bald war ein Schuh
länger, bald ein Absatz höher als der andere, bald war das Leder
nicht hinlänglich geschlagen. „Warte,“ sagte er zu dem Lehrjungen,
ch will dir schon zeigen, wie man die Haut weich schlägt!“ holte den
Riemen und gab ihm ein paar Hiebe über den Rücken. Faulenzer
nannte er sie alle. Er selber brachte aber doch nicht viel vor sich,
weil er keine Viertelstunde ruhig sitzen blieb. War seine Frau früh—
norgens aufgestanden und hatte Feuer angezündet, so sprang er aus
dem Bett und lief mit bloßen Füßen in die Küche. „Wollt ihr mir
ds Haus anzünden?“ schrie er, „das ist ja ein Feuer, daß man einen
Ahsen dabei braten könnte! Oder kostet das Holz etwa kein Geld?“ —
Slanden die Mägde am Waschfaß, lachten und erzählten sich, was sie
wußten, so schalt er sie aus: „Da stehn die Gänse und schnattern und
Vrgessen über dem Geschwätz ihre Arbeit. Und wozu die frische Seife?
deũlose Verschwendung und obendrein eine schändliche Faulheit! Sie
wollen die Hände schonen und das Zeug nicht ordentlich reiben.“ Er
* fort, stieß aber einen Eimer voll Lauge um, so daß die ganze
üche überschwemmt ward. Richtete man ein neues Haus auf, so lief
aͤns Fenster und sah zu. „Da vermauern sie wieder den roten
Sandftein.⸗ rief er, „bder niemals austrocknet; in dem Haus bleibt
in Mensch gesund. Ünd seht einmal, wie schlecht die Gesellen die
Steine auffehen! Der Mörtel taugt auch nichts, Kies muß hinein, nicht
Sand. Ich erlebe noch, daß den Leuten das Haus über dem Kopfe
jusammenfallt. Er sehte sich und that ein paar Stiche, dann sprang
er wieder auf, hakte sein Schurzfell los und rief: „Ich will nur hinaus
und den Moenschen ins Gewissen reden.“ Er geriet aber an die
Rimmerleuie Was ist das? rief er; „ihr haut ja nicht nach der
Schnur Meint ihr die Balken würden gerad' stehn? Es weicht einmal
alles aus den Fuͤgen.“ Er riß einem Zimmermann die Arxt aus der