9 
* 
Winfried aber hörte gar nicht darauf sondern fuhr nach dem Himmel 
blickend fort: „Dichter standen die Bäume im Lande der Thüringe. 
Dort warst du der erste, der mir auf der Reise die Nachtpfähle hieb. 
Damals fiel der Eschensame herab auf den Boden, und der Same heil— 
bringender Lehre sank in dein Herz. Sieh, ein neuer Baum ist im Schutze 
Gottes erwachsen, nicht die unholden Schicksalsfrauen schweben darum 
sondern hohe Engel, die geflügelten Boten Gottes; vielleicht, daß sie auch 
dir jetzt oder bald einmal eine gnadenvolle Auffahrt bereiten.“ 
Er segnete ihn und schritt in sein Zelt zurück, das inmitten der 
anderen sich stattlich erhob. Ingram legte den Hammer weg, er rüstete sich 
und setzte sich mit Schild und Speer an das Lagerthor zur Nachtwache. 
Über die weite Ebene spähte sein Blick; gleich dem Herrn Winfried sah er 
nach der Abendröte, die vom Norden her so hell schien, wie er sie noch 
niemals geschaut hatte. Er dachte an sein Weib und die blühenden Kinder, die 
jetzt daheim in Frieden schliefen, und die er so herzlich lieb hatte; er 
überlegte das ganze glückliche Leben, das er mit seiner Hausfrau geführt hatte, 
seine ruhmvollen Kriegsfahrten und das Lob seiner Kriegsgesellen; und er 
lachte und segnete in Gedanken alle Häupter der Seinen und betete für 
jedes. Leicht war ihm das Herz, und er sah immer wieder nach dem 
Himmelsbrande, wo die Röte langsam nach Osten zog, bis die Helle im 
Osten aufstieg und die kleinen Wolken rosig leuchteten wie ein Thor der 
aufgehenden Sonne. Da erkannte er, wie das Thor geöffnet wurde, durch das 
er selbst hinaufsteigen sollte zu der Burg des Himmelsherrn als einer feiner 
Krieger, und er kniete nieder und sprach das Gebet, das ihn Walburg gelehrt hatte. 
Wie er aufblickte, erkannte er fern im Dunst eine dunkle Masse, die 
schob sich heran. Speereisen blinkten und weiße Schilde. Er schloß den 
Eingang, rief seinen Kriegsschrei und eilte zu dem Zelte des Bischofs und 
zu den Hütten der Krieger. Aus dem Zelte tönte das Glöckchen, Winfried 
trat hervor, das Wort des Herrn in der Hand, umdrängt von den Geist— 
lichen. Draußen am Graben erhob sich mißtönendes Geheul; die Heiden 
liefen gegen das Pfahlwerk und rissen an den Hölzern. Ingram sprang 
den Speer schwingend auf sie und trieb seine Schildgenossen zum Kampfe. 
Aber mächtig erscholl die Stimme Winfrieds: „Höret das Gebot des Herrn: 
vergeltet nicht Böses mit Bösem sondern Böses mit Gutem. Thut ab 
Krieg und Kampf! denn der Tag ist gekommen, den wir lange ersehnten; 
heute lohnt der große Gott des Himmels seinen Getreuen. Bereitet ist uns 
der Hochsitz in himmlischer Halle, die Scharen der Heiligen geleiten uns vor 
den Thron des Himmelsherrn.“ 
Da warf Ingram sein Schwert den einbrechenden Heiden entgegen; 
er trat mit ausgebreiteten Armen vor den Herrn Winfried und empfing die 
Todeswunde, nach ihm der Erzbischof und darauf die übrigen, Geistliche 
und Laien. Nur wenige aus dem Gefolge retteten sich über das Wasser 
und berichteten von dem Ende der frommen Helden. 
Mit großem Gefolge fuhr der Häuptling des Christengottes zu der 
Halle seines himmlischen Königs.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.