223. Nürnberg.
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Auf felsgekrönter Höhe ragt mit reichem Schmucke
von Türmen die „alteé Burg“ empor, die so viele deutsehe
Kaiser in hren Mauern beberbergt hat. VWir staunen da
zunãchst einen alten, fünfeckigen Turm an, dessen Ent-
stehung nach der Sage in die Zeit des römischen RKaisers
Nero fallt. Nieht minder ziebt ein über 50 Rlafter tiefer
Brunnen und die über 700 Jabre alte Schlosslinde unsere
Aufmerksamkeit auf sieh. Aueh in die Polterkammer
werfen wir einen Blick, obwohl uns die zahlreichen Marter-
werkzeuge in derselben mit Grauen erfüllen. Wir treten
hinaus auf dié „Ereiung“, von welecher wir das Häuser—
meer der Stadt zu unsern Füssen überschauen. Die Stralsen
rmiehen sich zu dem in zwei Hauptarme geteilten Pegnit,
flusse hinab, überschreiten dĩesen in zahlreichen, oft Lunst-
vollen Brücken und steigen jenseits desselben wieder all-
maählich empor. Weit werden die Häuser überragt von den
Doppeltũrmen der Sebalder- und der Lorenzkirche, welehe
zu den schönsten und kunstvollsten kirehlichen Bauwerken
Deutschlands gehören. MAuch das Rathaus ist ein stolzer
Bau, einer Reichsstadt würdig.
Aut der Freiung zeigt man auch den Ort, von welehem
der berüchtigte Raubritter Dppelin von Gailingen mit
seinem Pferde durch einen gewaltigen Sprung über den
Stadtgraben den Nürnbergern wieder entronnen sein soll.
Aus jener Zeit soll sich das Sprichwort herschreiben: „Die
Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn zuvor.“ Die
Wahrheit ist, dals der verwegene Schnapphahn bei Karl
stadt am Main, von seinen Verfolgern bedrängt, von einer
steilen Felswand mit seinem Pferde den Sprung in den
Fluss wagte und so der Gefangensehaft entrann. Dals sich
die Bürger der Stadt Nürnberg gegen die raublustägen
Ritter nach Kräften zu schützen suchten, beweisen heute
noch die starken Mauern und tiefen Gräüben, sowie die mãcb-
tigen Türme, welehe die Haupteingänge der Stadt decken.
Zum Teile sind de alten Befestigungswerke niedergerissen,
um Raum für neue Stralsen und den wachsenden Ver
kehr zu schaffen; zum grossen Teile aber wurden sie
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Lesehuch für Mittelklassen.