52 II Erzählungen
das heißt: das Zukünftige vorher wissen können, so würde
sie auch ihre eigene Gefangennehinung gewusst haben, und
derselben durch Flucht entgangen sein.
Dennoch aber glaubten die meisten das, was die Zigeu¬
nerinn ihnen gesagt hatte, dämm, rveil sie wünschten, daß
es wahr fein möchte; und so wurden sie zum Theil dadurch
unglücklich. Denir derjenige z. B., welchem eine reiche
Erbschaft geweissaget war, vernachlässigte ftine Wirthschaft,
m der Hoffnung, bald ohne Mühe reich zu werden. Lange
blieben die schädlichen Wirkungen dieses Betrugs in dem
Dorfe noch sichtbar.
26. Der Glücksspieler.
Stephan diente schon seit vielen Jahren als Gärtner bei
einem vornehmen Herrn, und hatte das Lob eines steißigen,
geschickten und treuen Arbeiters. Er lebte dabei auch sehr
zufrieden, und wünschte wei er Nichts, als daß er es nur
bis an sein Ende so gut haben möchte; denn sein Herr
liebte und schätzte ihn.
Eines Tages kam sein Freund Anton mit schnellen
Schritten zu ihm in den Garten, und meldete ihm voller
Freude, daß er 500 Thaler in der Lotterie gewonnen habe.
Nun bin ich ans ein Mal aus meiner Noth! rief er; so füm>
merlrch, wie bisher, darf ich nun mein Bisschen Brot nicht
mehr verdienen. Ich gebe meinen Dienst bei der Herrschaft
auf (er war Bedienter bei demselben Herrn), und lege mir
einen kleinen Handel zu, da null ich mich schon gemächli¬
cher nähren. Und wenn ich dir rathen soll, lieber Stephan,
fuhr er fort, so versuche du oein Glück auch in der Lotterie.
Ist es nicht besser, daß wir unsere eigenen Herren werden?
Und was haben wir, wenn wir alt und schwach werden, für
Pflege und Wartung zu hoffen, so lange wir in Diensten sind?
Stephan schüttelte den Kopf, wusste aber doch nicht viel
dagegen zu sagen, und Anton machte ihm den Gewinn in der
Lotterie so wahrscheinlich, stellte ihm auch den Zustand der
Unabhängigkeit so angenehm vor, daß er sich endlich entschloß,
eine Kleinigkeit daran zu wagen. Er setzte also einige Gro¬
schen in die Lotterie, und gewann bei der nächsten Ziehung
Nichts. Da er muthlos werden wollte, munterte ihn Anton
auf, und sagte: er sollte den Einsatz nur ein Mal verdoppeln,
und fortfahren, am Ende müsse sein Loos herauskommen:
so habe er seine 500 Thaler auch gewonnen.