Full text: Deutsches Volksschul-Lesebuch

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5. Und der es euch anräth, und der es befiehlt, er ist es, der 
gern mit den Kindlein spielt, der alte Getreue, der Eckart. Vom Wun- 
dermann hat man euch immer erzählt, nur hat die Bestätigung jedem 
gefehlt, die habt ihr nun köstlich in Händen.“ ] 
6. Sie kommen nach Haufe, sie selzen den Krug ein jedes den 
Eltern bescheiden genug und harren der Schläg’ und der Schelten. Doch 
siehe, man kostet: Cin herrliches Bier! Man trinkt in die Runde schon 
dreimal und vier, und noch nimmt der Krug nicht ein Ende. 
7. Das Wunder, es dauert zum morgenden Tag; doch fraget, 
wer immer zu fragen vermag: „Wie ist's mit den Krügen ergangen? “ 
Die Mäuslein, sie lächeln im Stillen ergött; sie stammeln und 
stottern und schwatzen zuletzt, und gleich sind vertrocknet die Krüge. 
§. Und wenn euch ihr Kinder, mit treuem Gesicht ein Vater, ein 
Lehrer, ein Aldermann spricht, so horchet und folget ihm püntlich! Und 
liegt auch das Zünglein in peinlicher Hut, verplaudern ist schädlich, 
verschweigen ist gut; dann füllt sich das Bier in den Krügen. 
J. W. v. Goethe. 
232. Ludwig der Springer. 
Als Ludwig der Zweite, Landgraf zu Thüringen, wegen eines Ver- 
gehens auf Schloss Giebicheystein in Haft gehalten wurde, dauerte ihm 
die Zeit, zwei Jahre und acht Monate, gar lange, und oft sah er aus 
seinem hohen Thurmgemache hinab in den Saalgrund, ssehnsüchtig auf 
seine Freiheit harrend. Nun gelangte es zu Ohren des gefangenen 
Fürsten, dass ihn der Kaiser am Leben zu strafen gedachte, und da er 
noch gern leben mochte, so sann er auf Flucht und stellte sich krank, 
bittend, dass man seinen Schreiber zu ihm lasse, dem er seinen letzten 
Willen dictieren wolle. So geschah es, und er gebot nun seinem Schreiber, 
dass er an einen gewissen Tage, zu bestimmter Stunde mit des Land- 
grafen Schimmelross, der Schwan genannt, drüben am Saalufer harren, 
auch ein paar Kähne bereit halten und das Pferd wie zur Schwemme 
in den Strom reiten solle. Darauf schien er kränker und kränker zu 
werden, machte sein Testament, ließ sich sein Sterbekleid nähen 
und forderte zwei Mäntel, da er von heftigem Froste geschüttelt werde. 
An einem Stock wankte er so in seinem Thurmgemach umher, 
tset. fue Wächter, sechs Ritter, ruhig mit Brettspiel sich die 
vertrieben. 
Endlich lehnte sich der kranke Landgraf zum osfenen Fenster hinaus, 
um die warmen Sonnenstrahlen zu genießen, und als er drüben den 
treuen Diener mit dem Schwan in's Wasser reiten sah, auch die zwei 
Nachen mitten im Strom bemerkte, da schwang er sich über die Brüstung 
des Fensters hinqus, eilte mit kühnen: Schritt bis an. den Rand. . des.
	        
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