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Daheim aber stand unterdes die liebe Mutter des
Knäbleins und dachte ihrer vielen Kinder und des einen
Valers allenn Sie war eine rechte Beterin und hat wohl
damals absonderlich gebetet; denn dem Kinde kam bald ein
gar guter Gedanke. Fröhlich trat es zur alten Bettlerin,
gruͤßle sie und sprach: „Annalene, wir gehen eines Weges
Und Euer Stroh kann ich besser tragen als Ihr«; und
schnell, ehe die Frau Ja oder Nein sagen konnte, war der
Strick durchschnuten und das Stroh aufgeladen, und der
Knabe schritt rascher, als die Frau krücken konnte, und
trug das Stroh bis in ihre Hütte und legte es auf ihr
Lager, und die Äpfel und Nüsse aus seinen Taschen dazu,
und den Groschen auch, der zu Bilderbogen bestimmt war;
Und die, Belllerin schlief auf dem Stroh gar gut in der
Nacht, welche folgte, und das Knäblein schlief gut auf
seinem Kissen und träumte nichts Böses. Wer hat aber
von den beiden am besten geschlafen?
90. Die Nachtarbeit.
In Berlin war einst ein alter Tagelöhner, der immer
gebrechlicher wurde. Daher wurde er nicht mehr überall
n Abeil verlangt, wo er früher gearbeitet hatte. Aber
in einem Hause nahm ihn der Herr noch recht gern in
Arbeit. Einmal hatle er hier an einem sehr kurzen Winter—
tage Holz gehauen, und als es nun Abend geworden war,
erhielt er eben so viel Tagelohn, wie an dem längsten
Sommertage. Er weigerte sich lange, so viel zu nehmen,
und wollte das Drittel davon wieder zurückgeben, denn das
habe er nicht verdient, sagte er Da man ihm aber seinen
Willen nicht that, steckte er endlich das ganze Geld ein
und sagte nichts weiter
Einige Tage darauf, in einer mondhellen Nacht, hörten
die Leute dieses Hauses im Hofe Holz sägen. Es war der
alte Tagelͤhner. Die Hausmagd fragte ihn, warum er
heute denn so sehr früh zu arbeiten anfange. Er ant—