96. Die Spinne.
Ein frommer Mann wurde von bösen Leuten verfolgt,
die ihn tödten wollten. Er floh eilends; aber kaum war
er aus der Stadt, so waren auch die Feinde schon hinter
ihm her. Da er sah, daß sie ihn bald einholen würden,
so verkroch er sich in eine Höhle, die dicht neben der Land—
straße war. „Wenn mich die Feinde nur hier nicht suchen!⸗
dachte er. Aber siehe, als er hineinkroch, saß schon eine
Spinne am Eingange, die Gotl der Herr dahin bestellt
hatte, daß sie seinen Knecht errette. Denn kaum war er in
der Höhle, so machte sich die Spinne ans Werk, und als
die Feinde herzukamen, hatte sie schon ein Gewebe über
den Eingang gesponnen. Einer von den Versolgern ging
hinzu, um die Höhle zu untersuchen. Aber er hatte kaum
einen Blick auf dieselbe gethan, so rief er: „Hier ist er
nicht, denn es ist alles mit Spinngewebe zugesponnen.“ Und
so zogen sie weiter, und der fromme Mann war gerettet.
Darum sagt man im Sprichwort: Wen Gott beschirmt,
dem muß ein Spinngewebe zur Mauer werden; von wem
er aber die Hand abzieht, dem werden die Mauern zu
Spinngeweben.
9N. Die schützende Hand Gottes.
Zwei kleine Mädchen von 11 bis 12 Jahren wollten
an einem Wintertage ihre Verwandtin und Gevatterin be—
suͤchen. Diese wohnte in einem Nachbardorfe im Gebirge.
Die Kinder nehmen den Spinnrocken in die Hand und
gehen aus ihrem Doͤrflein nach dem Walde hinaus. Die
Schneeflocken fallen immer dichter und dichter; die Kinder
denken aber: „Wir werden wohl gut hinkommen.“ Denn
sie haben bald den halben Weg zurückgelegt, und wenn sie
durch jenen Tannenwald gekommen sind und den Berg
erstiegen haben, der da vor ihnen liegt, so können sie
schon das Dorf sehen, in welchem die Gevatkerin wohnt.
Aber als sie nun oben auf der Höhe und mitten im Walde
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