Metadata: [Heft 1] (H. 1 = Kl. V)

12. Friedrich Wilhelm III. 
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burger Tor. Die königliche Familie mußte nach dem Osten des Landes 
flüchten. Der König mußte alles preußische Land westlich von der Elbe 
an Napoleon abtreten, ihm eine hohe Kriegsschuld zahlen und durste 
nur ein ganz kleines Heer halten. Um die Kriegsschuld abtragen zu 
können, ließ der König aus vielen goldenen und silbernen Geräten 
Münzen prägen, und die Königin gab willig ihre Schmucksachen hin. 
In dieser schweren Zeit wurden sie durch manche rührende Beweise der 
Liebe ihrer Untertanen getröstet. 
b) Des Voltes Treue. Eines Tages ließ sich ein Bauer nebst 
seiner Frau bei dem Königspaar anmelden. Die Bauernfrau brachte 
ihrer lieben Landesmutter einige Pfunde frischer Butter, recht sauber in 
Kohlblätter geschlagen. Herzlich dankend nahm die Königin das Geschenk 
an. Da begann auch der Bauer etwas zum Könige zu sagen. „Aha, 
merke schon," unterbrach ihn der König, „Ihr bringt mir den Käse zu 
der Butter." Aber der gute Mann hatte doch noch etwas anderes als 
Käse in seinem Beutel. Er fuhr also in seiner Rede fort: „Wir haben 
erfahren, daß unsers Königs Kasse ganz leer ift; da haben wir nun 
unsere Ersparnisse zusammengebracht aus unserer Gemeinde und haben 
beigesteuert zu einem Geschenke für unfern armen gnädigen König." Da 
fiel ihm der König wieder in die Rede und sprach: „Nein, nein, nicht 
arm, solange ich noch solche Bauern zu Untertanen habe." Er staunte 
aber nicht wenig, als er sah, wie der Bauersmann 2000 blanke Gold- 
stücke auf den Tisch schüttete. 
c) Schmerz und Tod der Königin Luise. Das Leben der Königin 
war seit dem Unglück Preußens eine Reihe von Schicksalsschlägen ge- 
Wesen. In Königsberg lag sie in Todesgefahr. Sie fing eben an zu 
genesen, da kam die Nachricht: „Die Franzosen kommen." Sie erklärte 
bestimmt: „Ich will lieber in die Hände Gottes als dieser Menschen 
fallen." Und so wurde sie bei der heftigsten Kälte, bei dem fürchter- 
lichsten Sturm und Schneegestöber in den Wagen getragen und 20 Meilen 
weit nach Memel gebracht. Die Reise dauerte drei Tage, und die 
Königin litt unterwegs unsäglich. Die erste Nacht lag sie ohne er- 
quickende Nahrung in einer Stube, deren Fenster zerbrochen waren, 
so daß der Schnee ihr auf das Bett geweht wurde. Weihnachten 1809 
kehrte endlich die königliche Familie nach Berlin zurück. Für die ganze 
Stadt war dieser Tag ein hoher Festtag. Aber nicht lange mehr 
sollte die Königin unter den Lebenden weilen. Als sie im folgenden 
Sommer ihren Vater in Mecklenburg besuchte, riß sie der Tod hinweg. 
(19. Juli 1810.) Nicht allein Preußen, nein, ganz Deutschland trauerte 
um die Dahingeschiedene. Im Mausoleum zu Charlottenburg 
wurde sie beigesetzt.
	        
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