Da flogen ein schönes Kleid herunter und kostbare Strümpfe und
Schuhe, die zog Aschenbrödel geschwind an und ging auf den Ball,
und das Mädchen war so schön, ach, so schön, daß es gar niemand
kannte, auch nicht einmal seine Schwestern, und der Königssohn tanzte
nur mit ihm und mit keiner andern Jungfrau, und als es abend
nach Hause ging, wollte er ihm folgen, es entwich ihm aber, zog ge—
schwind Kleider und Schuhe aus auf dem Grabe untet dem Bäumchen
und legte sich in seine Asche. Kleider und Schuhe verschwanden
augenblicklich.
So ging es noch zweimal, immer kam Aschenbrödel unerkannt
und in stets schöneren Kleidern zum Tanze, immer tanzte der Königs—
sohn nur mit ihm, und immer solgte dieser, und bein driten Bal
verlor es von ungefähr den einen kleinen goldenen Schuh; der Königs—
sohn hob ihn auf, bewunderte seine Zierlichkeit und sprach es laut,
ließ es auch durch die Herolde kund thun: nur die Jungfrau, an
deren Fuß der kleine Schuh passe, solle seine Gemahlin werden, und
ritt von Haus zu Haus, die Probe zu machen.
Vergebens probierten die beiden Schwestern den kleinen Schuh;
e8 war, als ob ihre Füße ordentlich größer würden; da fragte der
Königssohn, ob nicht drei Töchter da wären, und der Mann sagte:
„Ja, Herr Prinz, noch ein Aschenbrödelchen!“ und die Multer setzte
gleich hinzu: „die sich nicht sehen lassen kann.“ Der Königssohn
wollte sie aber doch sehen. Aschenbrödel wusch sich fein und rein und
trat ein, auch in ihrem aschgrauen Kittelchen durch ihre Schönheit
die Schwestern überstrahlend. Und wie es den goldnen Schuh anzog,
so paßte er prächtig wie angegossen. Und der Königssohn erkanme
sie nun auch gleich wieder und rief: „Das ist meine holde Tänzerin,
meine liebe Braut!“ nahm sie, führte sie aufs Schloß und befahl,
ein stattliches Hochzeitsfest zuzurichten.
Beim Kirchgang hatte Aschenbrödel ein goldenes Kleid an und
ein goldenes Krönlein auf dem Kopfe; ihre Schwestern gingen ihr
voll Neid zur Rechten und zur Linken. Da kam das Vöglein vom
Haselbäumchen und pickte jeder ins Auge, daß dies erbündete. Al
nun die Braut aus der Kirche ging, kain wieder das Vöglein und
pickte wieder jeder das andere Auge aus, und so waren sie für ihren
Neid und ihre Bosheit mit Blindheit geschlagen ihr Leben laug—
Bechstein.
16. Der Rattenfünger zu Hameln.
Im Jahre 1284 ließ sich zu Hameln ein wunderlicher Mann
sehen. Er hatte einen Rock von vielfarbigem, buntem Tuche an, wes⸗
halb er Bunting geheißen haben soll, und gab sich für einen Ratten⸗
fänger aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt
von allen Mäusen und Ratten zu befreien. Die Bürger wurden mit
ihm einig und versicherten ihm einen bestimmten Lohn. Der Ratten—