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Gegrüßt, du weite Runde,
Burg auf der Felsenwand,
du Land voll großer Kunde,
mein grünes Vaterland!
Euch möcht’ ich alles geben,
und ich bin fürstlich reich,
mein Herzblut und mein Leben,
ihr Brüder, alles für euch!
So fahrt im Morgenschimmer!
Sei's Donau oder Rhein,
ein rechter Strom bricht immer
ins ew’ge Meer hinein!
_. Joseph v. Eichendorff.
6H. Unsere Muttersprache.
Unsere Sprache wurzelt in der Heidnischen Vorzeit, und der Grund¬
stock unseres Wortschatzes ist weit älter als das Christentum. Uber
das Sprachgut, das uns diese heidnische Vorzeit bis aus unsere Tage
vererbt hat, bezieht sich auf des Leibes Nahrung und Notdurft, auf
Haus und Hof, Ucker und Vieh, Wald und $hu\ Vas Ullgemein-
menschliche hat seine uralten Wortmaterialwn bis heute zumeist be¬
halten. Vas heidnische aber, d. h. alles, was mit der Religion unserer
vorfahren zusammenhing, ist schonungslos hinweggefegt. Vas Christen¬
tum hat auch bedeutsame Schöpfungen des germanischen Geistes ver¬
nichtet, deren Verlust wir schwer beklagen, wir ahnen die Größe des
Verlustes im Bericht der Germania des Taeitus und lernen daraus zu¬
gleich, wie unsere heidnische Religion mit Poesie und unsere heidnische
Poesie mit Religion durchwoben war. vom alten Hildebrandsliede und
ein paar heidnischen Zaubersprüchen abgesehen, ist kein Sprachdenkmal
der vorchristlichen Zeit auf deutschem Boden zu finden. Die Umwälzung,
die das Christentum in die deutschen Stämme und ihre Sprache ge¬
bracht hat, steht einzig in unserer Geschichte da.
Sn der ersten Zeit der Bekehrung mußten die Missionare oft an
einheimische Vorstellungen anknüpfen, va erscheinen im Rlthochdeutschen
wie im Gotischen die Teufel als Unholdinnen. So ist noch heute unser
Wort Hölle ein religiöser Begriff des Heidentums, auf christliche Vor¬
stellungen übertragen. Die Missionare mußten einheimisches Sprachgut
zur Belehrung und Unterricht im neuen Glauben verwenden. Mochte
der Gott des christlichen Evangeliums den Sieg über die heidnischen
Götter davontragen — das heidnische Wort „Gott", das eine Ver¬
gangenheit von vielen Jahrhunderten hatte, behauptete sich siegreich
bis auf den heutigen Tag. Man konnte nicht darauf verfallen, dafür
das lateinische „deus“ aufzunehmen, wie man das lateinisch-griechische
„diabolus“ als Teufel aufnahm. So wertet das Christentum alt¬
heidnische werte um und paßt das alte Sprachgut an das neue
Evangelium an.
Uber umgekehrt haben wir auch in unserer christlichen Rusdrucks-
weise Zeugnisse für die heidnische Vorzeit. Lines der wertvollsten derart