Full text: Auswahl deutscher Dichtungen aus dem Mittelalter

Lampe sprach: „Das kann ich wohl sagen. Es liegt in der Wüste 
Krekelborn nahe bei Hüsterlo. Hüsterlo nennen die Leute 
Jenen Busch, wo Simonet lange, der Krumme, sich aufhielt, 
Falsche Muünze zu schlagen mit seinen verweg'nen Gesellen. 
Vieles hab' ich daselbst von Frost und Hunger gelitten, 
Wenn ich vor Rynen, dem Hund, in großen Nöthen geflüchtet.“ 
Reineke sagte darauf: Ihr könnt euch unter die Andern 
Wieder stellen; ihr habet den König genugsam berichtet.“ 
Und der König sagte zu Reineke: Seid mir zufrieden, 
Daß ich hastig gewesen und eure Worte bezweifelt; 
Aber sehet nun zu, mich an die Stelle zu bringen.“ 
Reineke sprach: „Wie schätzt' ich mich glücklich, geziemt es mir heute 
Mit dem König zu gehn und ihm nach Flandern zu folgen! 
Aber es müßt euch zur Sünde gereichen. So sehr ich mich schäme 
Muß es heraus, wie gern ich es auch noch länger verschwiege. 
Isegrim ließ vor einiger Zeit zum Mönche sich weihen, 
Zwar nicht etwa dem Herrn zu dienen, er diente dem Magen; 
Zehrte das Kloster fast auf, man reicht' ihm für Sechse zu essen, 
Alles war ihm zu wenig; er klagte mir Hunger und Kummer; 
Endlich erbarmel es mich, als ich ihn mager und krank sah, 
Half ihm treulich davon, er ist mein naher Verwandter. 
Und nun hab' ich darum den Bann des Papstes verschuldet, 
Möchte nun ohne Verzug, mit eurem Wissen und Willen, 
Meine Seele berathen, und morgen mit Aufgang der Sonne, 
Gnad' und Ablaß zu suchen, nach Rom mich als Pilger begeben, 
Und von dannen über das Meer; so werden die Sünden 
Alle von mir genommen, und kehr' ich wieder nach Hause, 
Darf ich mit Ehren neben euch gehn. Doch thät ich es heute, 
Würde Jeglicher sagen: Wie treibt es jetzo der König 
Wieder mit Reineken, den er vor Kurzem zum Tode verurtheilt, 
Und der über das Alles im Bann des Papstes verstrickt ist! 
Gnädiger Herr, ihr seht es wohl ein, wir lassen es lieber.“ 
„Wahr,“ versetzte der König darauf; „das konnt' ich nicht wissen 
Bist du im Banne, so wär' mir's ein Berwensn mit mir zu 
hren. 
Lampe kann mich oder ein Andrer zum Borne begleiten. 
Aber, Reineke, daß du vom Banne dich suchst zu befreien, 
Find ich nützlich und gut. Ich gebe dir gnädigen Urlaub 
Morgen bei Zeiten zu gehn; ich will die Wallfahrt nicht hindern 
Denũ mir scheint, ihr wollt euch bekehren vom Bösen zum Guten 
Gott gesegne den Vorsatz und laß euch die Reise vollbringen! 
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