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B. Lyrisch epische Poesie. VI. Erzählungen, Balladen, Romanzen.
5. Diese Arme beugt dem Toten
Jetzt ein Frater zu Sankt Just,
Drückt ein Kreuz darein und beugt sie,
Ach, so leicht! — verschränkt zur Brust.
6. Wie des Regenbogens Himmelsstiege
Glomm der Tag, der ihm das Licht
beschied;
Kön'ge schaukelten da seine Wiege,
Königinnen sangen ihm das Lied.
7. Doch ein Mönchchor singt das Grab¬
lied
Jetzt in alter Melodei.
Wie er singt, ob Grabeslegung
Oder Auferstehung sei.
8. Seht, die Sonne sinkt, die aus den
Reichen
Dieses Toten nie den Ausgang fand;
Dieses Abendrot im Gau der Eichen
Ist ein Morgenrot dem Palmenland.
9. Und die Glocken leiser klingen:
Schöne Thäler, lebet wohl!
Und die Mönche heiser singen:
„Schnöde Welt, o fahre wohl!"
10. Einmal noch durchs Kirchensenster
nieder
Blickt zum Sarg der Sonne mildes
Rot,
Was sie hier sieht, dort zu künden
wieder:
Wie der Herrscher beider Welten tot.
11. Hirt und Hirtin dort im Thale,
Wie da Glocke klingt und Lied,
Beten still, entblößten Hauptes,
Für den frommen Mönch, der schied.
74. Tod des Grafen Ernst von Mansfeld. 30. Nov. 1626.
Von Karl August Förster. Gedichte, herausgegeben von Tieck. Leipzig, 1843.
1. „Gefochten und geschlagen
ab' ich für Gottes Ehr',
elitten und getragen,
Und war es noch so schwer.
2. Dem Tod hab' ich geschauet
Ins bleiche Angesicht,
Auf meinen Gott gebauet,
Und er verließ mich nicht.
3. Nun soll's zum Ende gehen,
Das letzte Stündlein naht;
Da muß der Mansfeld stehen,
Wie in der Schlacht er that.
4. Drum, Freunde, gebt behende
Mein Schwert mir, gut und blank,
Und haltet, bis ich ende,
Mich aufrecht, sonder Wank!"
5. Der Feldherr sprach's, da reichen
Sie ihm sein treues Schwert
Und sehn des Todes Zeichen,
Wie er empor sich kehrt.
6. Er aber hält umfangen
Den Knauf, und wie im Feld
Steht in der Rüstung Prangen
Zum Tode blaß der Held —
7. Und siehet unverwendet
Ins Morgenlicht hinaus,
Er steht — und hat geendet,
Und Jammer füllt das Hans.
73. Karl XII. und der pommerfche Bauer Müfebäk. 1714 n. Chr.
Von Johann Wilhelm Meinh old. Gedichte. Leipzig, 1835
In seinem Zelt vor Bender sitzt Karl der Zwölfte still,
Kein Schach ihn mehr zerstreuen, kein Buch ermuntern will;
Von aller Welt verlassen, versagt in seiner Not
Der Türk' dem trotz'gen König gemach schon Fleisch und Brot.
5 Vergebens mahnet Düring: „Gieb deinen Feinden nach!"
Vergebens Rosen: „Fliehe, o Held, dein Ungemach!
Was sitzest du und sinnest wie ein vergrämter Aar
Im Horst von Folgefonde und trotzest der Gefahr?
Mach' auf die edlen Schwingen und aus dem Sonnenbrand
10 Zieh heim ins kühlumwogte, geliebte Vaterland!
Da sammle wieder eilig die alte Kraft zu Hanf
Und gehe wie das Nordlicht in blut'gen Striemen auf!"