60 Aus Deutschland.
Von der Markircher Senke bis zur Senke von Zabern reicht der
mittlere Wasgenwald, gleich dem untern Teile des Schwarzwaldes ein breiter
Plateaurücken von über 800 m, auf dem mehrere höhere Kuppen empor-
steigen, so der Mont Donon. Aus dem Schlußrücken tritt gegen Osten
der Odilienberg (320 m) hervor, den man von Barr ans ersteigt. Schon
von den Römern war das Plateau des Berges zu einem großen befestigten
Lager benutzt worden, dessen Mauern noch erkannt werden können.
Auf der nördlichen Seite führte zu diesem befestigten Lager ein gleichfalls
noch wohlerhaltener gepflasterter Weg empor. Später gründete die heilige
Ottilie, die Schutzheilige des Elsasses, auf der Berghöhe ein Kloster, dessen
Wallfahrtskirche das Grab der Gründerin und mehrere Kapellen mit Fresko-
gemälden aus dem Leben der Heiligen enthält. Ehe man das Kloster erreicht, be-
gegnet man einem Brunnen, bei dessen wundertätigem Wasser viele tausend
Augenkranke Heilung gesucht haben. Der Odilienberg ist unter andern von
Goethe besucht und in kurzen, aber fesselnden Worten geschildert worden. Einer
mit hundert, ja tausend Gläubigen auf den Odilienberg begangenen Wallfahrt —
fo sagt er — denk' ich noch immer gern. Auch auf dieser Höhe wiederholt sich
dem Auge das herrliche Elsaß, immer dasselbe und immer neu; ebenso, wie man
im Amphiheater, man nehme Platz, wo man wolle, das ganze Volk übersieht, nur
seine Nachbarn am deutlichsten, so ist es auch hier mit Büschen, Felsen, Hügeln,
Wäldern, Feldern, Wiesen und Ortschaften in der Nähe und Ferne. Am Horizont
wollte man uns sogar Basel zeigen; daß wir es gesehen, will ich nicht beschwören,
aber das entfernte Blau der Schweizergebirge übt auch hier sein Recht über
uns aus, indem es uus zu sich fordert, und da wir nicht diesem Triebe folgen
konnten, eiu schmerzliches Gefühl zurückließ. — Der untere oder Nieder-
Wasgeuwald, welcher von der Senke von Zabern bis zur Queich reicht, wird
zu einem mäßig hohen, aber höchst anmutigen und interessanten Berglande, das
mit der Haardt zusammen ein beliebtes Reiseziel geworden ist. Von der präch-
tigenRuine der 1680 von den Franzosen zerstörten Madenburg aus genießt
man einer entzückenden Aussicht, die namentlich die weite Rh ein ebene mit
ihren lachenden Fluren und blühenden Städten, mit ihren Burgen, Schlössern
und Domeu, aber auch durch grüne Bergrahmen hindurch die Felsenwunder
der fogeuaunten pfälzischen Schweiz und des innern Wasgenwaldes dem be-
wundernden Auge entrollt. Dieser Teil des Wasgenwaldes ist's auch, von dem
das alte Wort gilt:
„Drei Schlösser auf einem Berg,
Drei Kirchen auf einem Kirchhof,
Drei Städte in einem Thal
Hat ganz Elsaß überall."
Uni» dürften wir dann noch einen Blick thun in das nordwärts anstoßende Saud-
steiuplateau der Haardt, so würde dieses selbst trotz seiner stattlichen Wälder
uns vielleicht weniger zu fesseln im stände sein, jedoch an seinen steilen Ab-
hängen nach der Rheinseite zu würden wir erquickt werden durch roman-
tische Ruinen, von Reben und Kastanienwäldern umkränzt, von denen herab
die reiche und starkbevölkerte Landschaft der Ebene sich wahrhaft köstlich darstellt.