Full text: [Bd. 1, Abth. 1] (Bd. 1, Abth. 1)

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Zur physischen Geographie. 
skandinavischen Gebirge an zahlreichen Stellen jene gerundeten, geschliffenen 
und zerschnittenen Flächen, welche unwiderleglich die Wirkung der Gletscher 
bezeichnen. Am Sneehättan reichen ihre Gleise bis in die Seehöhe von 
1234 Meter, und zwischen Hardanger und Halingdalen selbst 1800 Meter 
hinauf, während sie andererseits sich auch öfter bis unter den gegenwärtigen 
Spiegel des Meeres hinab verfolgen lassen. 
So tritt denn auch hier, und in ungeahnter Weise, das Phänomen der 
Gletscher entgegen. In einer Zeit, als noch ein weites Meer das heutige 
Finnland und die angrenzenden Tiefebenen Europas überflutete, deckten uner- 
meßliche Massen von Schnee und Eis die skandinavische Gebirgsinsel und 
ergossen ihre Gletscherströme über die steilen Ränder in den Ocean. Mit 
ihnen stürzten aber auch die durch sie gelösten Felstrümmer hinab und trieben, 
von den Strömungen fortgerissen, auf gewaltigen Eisflößen und Eisbergen, 
nach Süden, bis unter deni Strahl einer wärmeren Sonne das Eis zer- 
schmolz und seine Belastung auf den Boden des Meeres fallen ließ. Als 
dann endlich in einer neuen, milderen Epoche das Reich des Winters sich in 
engere Grenzen zurückzog und das Tiefland aus den Gewässern emporstieg, 
da erschienen auf dem Grunde jahrtausendalter Gerolle auch jene mächtigen 
Blöcke, gleichsam um als unzerstörbare Marksteine den Geschlechtern der 
Menschen eine Erinnerung an die große Epoche der Gletscher zu bewahren. — 
Es geschah also hier, was noch heute am Rord* und Südpol geschieht. 
Denn auch dort lösen sich ununterbrochen die riesigen Scherben von den Eis- 
wänden der Gletscher uud bilden jene, bereits Seite 92 geschilderten Eis- 
berge, auf und in denen immer neue Masse« von Gesteinen ins Meer hin- 
austreiben, um endlich an den gegenüberliegenden Küsten zu landen und 
Vorgebirge, Inseln und Halbinseln zu bauen. (Labrador, Neufundland, 
Patagonien.) 
Was endlich Deutschland insbesondere anlangt, so erstreckt sich hier die 
Peripherie des erratischen Kreises südwärts bis an die Ems, die Weser, den 
Harz, die sächsischen und schlesischen Gebirge und steigt zuweilen auf Höhen 
hinan, die 800 und mehr Fuß messen. Einzelne Blöcke erreichen eine 
beträchtliche Größe *), und daß gerade solche vielfach künstlerischen Zwecken 
dienten, ist bekannt. Wie das Reiterstandbild Peters des Großen auf einem 
*) Bei dem Dorfe Lage im Lippeschen liegt ein solcher von 4600 Kubikfuß Massen- 
gehalt. Der „Pierre ä Bot" freilich, ein erratischer Block in der Gegend von Neuf- 
chatel, übertrifft diesen um das Neunfache. Die Felsmasse, auf welche Stephan 
Falconnet die berühmte Statue Peters I. stellte, hatte 42 Fnß Länge, 34 Fuß Breite 
und ragte 21 Fuß hoch über den sumpfigen Boden empor; man schaffte sie unter großen 
Mühen cmf Reihen von Kanonenkugeln, die in entsprechenden Holzrinnen lagen, von 
ihrem Fundorte am finnischen Meerbusen nach Petersburg.
	        
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