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8. Die Mädchen waren fortgesprungen; aber der Bär rief ihnen
nach: „Schneeweißchen und Rosenrot, fürchtet euch nicht; wartet, ich will
mit euch gehen!“ Da erkannten sie seine Stimme und blieben stehen,
und als der Bär bei ihnen war, fiel plötzlich die Bärenhaut ab, und er
stand da als ein schöner Mann und war ganz in Gold gekleidet. „Ich
bin eines Königs Sohn“, sprach er, ‚und war von dem gottlosen Zwerge,
der mir meine Schätze gestohlen hatte, verwünscht, als ein wilder Bär in
dem Walde zu laufen, bis ich durch seinen Tod erlöst würde. Jetzt hat
er seine wohlverdiente Strafe empfangen.“
Schneeweißchen ward mit ihm vermählt und Rosenrot mit seinem
Bruder, und sie teilten die großen Schätze miteinander, die der Zwerg
in seiner Höhle zusammengetragen hatte. Die alte Mutter lebte noch lange
Jahre ruhig und glücklich bei ihren Kindern. Die zwei Rosenbäumchen
aber nahm sie mit, und sie standen vor ihrem Fenster und trugen jedes
Jahr die schönsten Rosen, weiß und rot. Gebruder Grimm.
227. Hans und der Riesoe.
1. Es war einmal ein Bauer, der hatte drei Söhne; zwei waren
lug, und einer var dumm. Der dumme hieb Hans. Als die Söhne
herangewachsen waren, sollten sie in die Welt reisen. Zuerst sollte
der alteste fort; er kriegte einen Laler Reisegeld und ging damit los.
Zuerst kam er in einen Wald. Dort begegnete ihm ein Biese,
der ihn fragte, wo er hin wollte. „Ieh soll reisen“, sagte er, „und
mich in der Welt umsehen.“ „Na,“ sagte der Riese, „dann gib nur
her, was du hast, und damit nahm er ihm seinen Taler veg, so dab
er wieder nach Hause gehen mubte. Nachber sollte der zweite Sobn
fort; dem ging es gerade ebenso.
2. Als der wieder nach Hause kam, wollie Hans aueh fort.
„MWau villst du denn reisen?“ sagte der Vater. Die beiden andern
sind nicht weit gekommen, und du wirst noch nicht einmal so weit
kommen.“ Hans lieb aber nicht nach; er wollte fort. „Nun, dann
geh,“ sagte der Vater, „du kriegst aber nichts mit.“ Nun fing sich
Hans einen Sperling, holte sich einen alten Kümmelkäse aus der
Speisekammer seiner Mutter und ging fort.
3. Als er in den Wald kam, begegnete ihm der Riese auch und
fragte, wohin er wollte. Hans sagte: „Habe iehb dieh denn sehon