Friedrich der Große.
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sieht in dem Besitze der höchsten Staatsgewalt weniger ein Recht als ein Amt. Der
Fürst hat 1. die gemeinsamen Angelegenheiten aller zu besorgen und 2. den Staat zu
verteidigen; weit entfernt, der unumschränkte Herr seiner Untertanen zu sein, müsse er
sich als den ersten ihrer Diener betrachten. „Der erste Gedanke, den ein Fürst haben
muß, das einzige Streben, das sich für ihn schickt, ist, etwas Nützliches und Großes für
das Wohl seines Staates zu tun; dem muß er seine Eigenliebe und alle seine Neigungen
opfern, dazu muß er alle Hilfe, alle bedeutenden Männer, die er gewinnen kann, ver¬
wenden, mit einem Wort, alles, was geeignet ist, sein Streben für das Wohl seiner
Untertanen zur Ausführung zu bringen."
d. Das Verhältnis des Kronprinzen zum Könige blieb trotz alledem
dauernd unsicher; um dem Vater keinerlei Grund zu Mißtrauen zu geben,
beobachtete Friedrich in politischen Dingen eine peinliche Zurückhaltung,
obgleich die Ursachen der bedauerlichen Mißerfolge der preußischen Politik
seiner überlegenen Einsicht nicht verborgen blieben.
e. Die würdige Haltung des Kronprinzen in der Sterbestunde des Vaters
söhnte Friedrich Wilhelm I. völlig mit seinem ihm so lange entfremdeten Sohne
aus und gab diesem Fürsten, der seine Lebenskraft im Dienste des Staates
rasch verzehrt hatte, die Gewißheit, daß sein Nachfolger volles Verständnis
für das Lebenswerk seines Vorgängers besitze?)
III. Friedrichs Regierungsantritt.
Schon die ersten Regierungshandlungen Friedrichs II. ließen
an dem neuen preußischen Könige die Eigenschaften eines hervor¬
ragenden Herrschers erkennen.
1. Die Erwartungen, mit der die Angehörigen des Rheinsberger Kreises
der Regierung des jungen „Roi charmant“ entgegengesehen hatten, erfüllten
sich ebensowenig wie die Befürchtungen der Gegner des bisherigen Kronprinzen:
Friedrich wies alle Versuche seiner Rheinsberger Freunde, die alte Ver¬
traulichkeit fortzusetzen, kühl und scharf zurück und hielt an den Männern
des alten Systems fest, soweit er ihre Brauchbarkeit für die Zwecke des
Staates erkannte (Finanzrat Boden).
2. Für die Vorzüge und Mängel der Regierung seines Vaters
bewies der junge König vollstes Verständnis.
a. Im großen und ganzen war Friedrich von der Trefflichkeit des
väterlichen Regimentes durchaus überzeugt und war daher weit davon
entfernt, Friedrich Wilhelms Werk anzutasten; nach seinen eigenen Worten
sollte die „Dekoration des Gebäudes eine andere sein, aber die Mauern, die
Fundamente unversehrt bleiben". (Beibehaltung und Verschärfung des alten,
sparsamen Finanzsystems, gesteigerte Anforderungen an die Leistungen der
Beamten.)
b. Die Härten und Mängel der Regierung seines Vorgängers
dagegen suchte der von dem Humanitätsprinzip der Aufklärung erfüllte junge
König nach Möglichkeit zu beseitigen.
a. Verkündigung der Grundsätze des neuen Regimentes in dem Erlasse,
der den Behörden den Regierungswechsel anzeigte. „Wir wollen nicht, daß
Ihr Euch bestreben sollet, uns mit Kränkung der Untertanen zu bereichern,
sondern vielmehr, daß Ihr sowohl den Vorteil des Landes als unser besonderes
i) Genaueres über die Jugendzeit Friedrichs des Großen bei Ranke a. a. O. II.
und III. Bd.; Koser, Friedrich der Große als Kronprinz.