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dem Hause; in der einen Hand trug sie ein Körbchen mit süßem
Backwerk und Gemüse, in der andern einen kleinen Schlauch mit
würzigem Wein, und beides gab sie der Tochter. Darauf bestieg
Nausikaa den Wagen, nahm die Zügel in die Hand und schwang
die Geißel. Lustig rollte der Wagen mit der Prinzessin aus der
Stadt nach dem Flußuser; zu beiden Seiten schritten die rüstigen
Dienerinnen, Nausikaas Gespielinnen, einher.
Als sie nun das liebliche Gestade des Flusses erreichten,
spannten die Mädchen die Tiere aus und ließen sie im feiten
Grase weiden. Dann nahmen sie die Kleider und Decken vom
Wagen und trugen sie Stück für Stück in die reinlichen Gruben
am Flusse, die mit spiegelklarem Wasser gefüllt waren. Eifrig
stampften sie die Wäsche mit den Füßen, rieben sie mit den Händen
und ruhten nicht eher, als bis das letzte Fleckchen entfernt war.
Nachdem sie alles gereinigt hatten, breiteten sie's am sonnigen
Ufer aus, stiegen selbst in die Flut, badeten sich und setzten sich
dann fröhlich in den grünen Rasen, um sich am Mahl zu erquicken
und zu warten, bis die Sonnenstrahlen die Wäsche getrocknet
hätten. Trefflich mundete das Frühstück nach der Arbeit. Da¬
nach sprangen sie auf und erfreuten sich am Ballspiel. Gar lieb¬
lich war es zu schauen, wie da die frischen, unschuldigen Mädchen
so heiter sich tummelten; aber Nausikaa, die Fröhlichste der Fröh¬
lichen, ragte unter ihnen an Wuchs und Schönheit hervor wie
Artemis, die Göttin der Jagd, unter den Nymphen des Waldes.
Während des Spieles stimmte Nausikaa ein schönes Lied an,
und auch die andern sangen mit, wenn die Reihe an sie kam.
Schon näherte sich das Spiel dem Ende, da fügte es Athene,
daß Nausikaa, als sie den Ball einer Gespielin zuwarf, das Ziel
verfehlte und der Ball in weitem Bogen mitten in den Fluß fiel.
Halb vor Schreck, halb vor fröhlichem Übermut kreischten die Mäd¬
chen auf, und Odysseus, der bis dahin ganz in der Nähe ge¬
schlummert hatte, erwachte von dem Geschrei. Horchend richtete
er sich in seinem Blätterlager aus und sprach zu sich selber: „Weh!
zu was für Menschen bin ich Armer nun wieder gekommen? Sind
es grimmige Mörder und Räuber oder fromme, gastfreie Leute?
Horch! sind das nicht Mädchenstimmen? Sollte ich wirklich in
der Nähe von gesitteten Menschenkindern sein? Frisch auf, Odysseus,
sieh selber, was das zu bedeuten hat!" So sprechend, erhob er