Die Verfassung Osterreichs.
321
unter Verantwortung des Gesamtministeriums eine kaiserliche Ver-
ordnung erlassen werden. Ausgenommen von dieser Möglichkeit ist
nur die Abanderung eines Staatsgrundgesetzes, eine dauernde Be-
lastung des Staatsschatzes und eine Veràuterung von Staatsgut.
Eine solche Verordnung muß jedoch dem Reichsrat sofort nach
dessen Zusammentritt vorgelegt werden und tritt außer Kraft, wenn
sie nicht genehmigt wird oder nicht binnen vier Mochen nach dem
Zusammentritt des Reichsrates dem Abgeordnetenhause vorgelegt
wurde.
Der Reichsrat kann die Minisster wegen Verletzung eines Ge-
setzes zur Verantwortung ziehen, und zwar kann jedes der beiden
Hauser die Anklage erheben. Die Verhandlung und Entscheidung
über eine solche Klage steht einem eigenen Gericht, dem Staats-
gerichtshof, zu, in welchen jedes der beiden Hàuser des Reichsrates
wöit mabnrangige und gesetzeskundige Staatsbürger, die jedoch
keinem der beiden Häuser des Reichsrates angehören dürfen, auf
die Dauer von sechs Jahren wanlt.
Der Reichsrat übt ferner eine standige Kontrolle über die ge-
samte Staatsschuld aus, und z2war durch eine eigene Kommission,
die Stautsschulden-Kontrollbommission, in welche jedes der beiden
Hauser des Reichsrates fünf Mitglieder entsendet.
Die Landtage. Für jedes Kronland besteht ein eigener Landtag
als gesetzgebende Körperschaft. Das Küstenland ist geteilt, indem
Gõorz und Gradisca sowie Istrien durch zwei abgesonderte Landtagé
vertreten sind, wàhrend in der reichsunmittelbaren Stadt Triest der
Stadtrat die Stelle eines Landtages einnimmt. Es gibt also im ganzen
17 Landtage und einen mit der Funktion des Landtages betrauten
Stadtrat.
Die Zusammensetæung jedes Landtages ist durch eine besondere
„Landesordnung“ bestimmt. Mitglieder sind zunächst kraft ihres
Amtes (Sogenannte Virilsstimmen) die Bischöfe und Rektoren der
Universitäten, ferner die aus bestimmten Wahlkörpern (Kurien)
gewahlten Mitglieder. Solche Wahlkörper sind T.) der Großgrund-
—D———
lichen Güter, welche in eine besondere Art von Grundbüchern, die
Landtafeln, eingetragen sind; 2.) die Stãdte, Markte und Industrial-
orte, in denen das Vahlrecht für den Landtag abhàngig ist von dem
Wahlrecht für die Gemeinde; 3.) die Landgemeinden; 4.) die Han-
dels- und Gewerbekammern. Auberdem gibt es in einigen Làndern
(Niederõsterreich, Mahren, Steiermar: Karnten, Krain und Vorarl.
Zeehe-Heideriech-Grunzel., österr. Vaterlandsk unde