Der Krieg von 1813.
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Daher wurde die Werbung abgeschafft und Ausländer nicht Heeresreform,
mehr in die Armee aufgenommen. Es wurde ferner der Eintritt
in das Offiziercorps im Frieden von „Kenntnissen und Bildung",
die auch der Adlige nachzuweisen hatte, im Kriege von „ausgezeich-
neter Tapferkeit und Umsicht" abhängig gemacht. Die entehrenden
Strafen fielen fort, und dadurch wurde der Eintritt der bisher
vom Dienst befreiten bürgerlichen Jugend in die Armee vorbereitet.
Freilich konnte der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht selbst noch
nicht durchgeführt werden; schon weil die Mittel des Staats viel zu
knapp waren, und weil der Vertrag mit Napoleon nur die Auf-
ftellung von 42 000 Mann erlaubte. Doch wurden, indem man
einigermaßen ausgebildete Leute, Krümper, nach einigen Monaten
beurlaubte und an ihrer Statt andere einstellte, allmählich unter der
Hand an 150 000 Mann notdürftig eingeübt. Dazu wurde das
Heer neu organisiert, im Felddienst ausgebildet und neu bewaffnet.
So rüstete Preußen zum entscheidenden Kriege.
Zugleich erhob sich überall unter dem Druck der Fremdherr- Nationale
schaft der nationale Sinn. Die deutsche Dichtung und Wissenschaft, Süteratur-
so lange dem Vaterlande entfremdet, wurde national. Während die
neue, von romantischer Begeisterung für die deutsche Vorzeit getragene
germanistische Wissenschaft sich in die deutsche Sprache und Sage ver-
senkte, schilderte Fichte in seinen „Reden an die deutsche Nation"
die Selbstsucht des Zeitalters und entwarf ein Idealbild deutschen
Wesens*); Schleiermacher lehrte in seinen Predigten den sittlichen
Wert der Hingabe an das Ganze; Ernst Moritz Arndt schrieb
den „Geist der Zeit"2), Friedrich Ludwig Jahn sein „deutsches
Volkstum". Heinrich von Kleist dichtete Lieder und Dramen voll
patriotischen Hasses. Ihm folgten die Dichter des Befreiungskriegs,
Arndt, Schenkendorf, Körner, Rückert. Während der so-
genannte Tugendbund keine bemerkenswerte Wirksamkeit entfaltete,
wurde auf den von Jahn begründeten Turnplätzen der nationale
Gedanke gepflegt.
Ter Krieg von 1813.
§ 91. Der Frühjahrsfeldzug. König Friedrich Wilhelm hatte
Jorks That zuerst in Rücksicht auf die Franzosen öffentlich geiniß-
billigt; dann verließ er aber Berlin und begab sich nach Breslau. Jan. i8i3.
Verhandlungen mit Rußland führten zum Abschluß eines Bünd- Preuß.-russ.
nisses. Die Frage des polnischen Besitzes wurde nicht entschieden; Febr"i8i3.
doch versprach Alexander die Waffen nicht niederzulegen, ehe Preußen
1) „Charakter haben und deutsch sein ist ohne Zweifel gleichbedeutend".
2) Arndt war auf dem damals schwedischen Rügen geboren. Stein
berief ihn 1812 zu sich nach Petersburg.