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Stoll: Herakles.
ihln zu seinem Rechte zu verhelfen. Herakles irrte nun lange in der
Fremde umher. So kam er auch an den Hof des Königs Admetos, der
in Pherä in Thessalien herrschte. Dieser nahm Herakles gastfreundlich
auf und bewirtete ihn reichlich. Während er aber fröhlichen Sinnes
zechte, fiel ihm die Traurigkeit des Sklaven auf, der ihn bediente, und
er forschte nach der Ursache. Da hörte er denn folgende Kunde: Admetos
hatte einst den Gott Apollon, der vor dem Grimme seines Vaters Zeus
aus dem Olymp entwichen war, liebreich aufgenommen. Apollon lebte
eine Zeit lang in seinem Hause und weidete die Rinder des Königs. Als
er dann von Zeus wieder zu Gnaden aufgenommen war, bewies er sich
dem Admetos dankbar und ward sein Beschützer. Da nun die Lebenszeit
des Admetos verstrichen und ihm der Tod bestimmt war, wirkte Apollo
bei den Schicksalsgöttinnen aus, daß Admet dem Tode entgehen solle,
wenn ein anderer Mensch für ihn sterben wolle. Aber Admet fand
keinen, der statt seiner in den Hades hinabzusteigen bereit war. Da erklärte
endlich Alkestis, seine schöne geliebte Gattin, daß sie zu dem Opfer bereit
sei. Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, so erschien schon Thanatos,
der Tod, und leblos sank sie zu Boden. Nun lag sie auf dem Totenbette,
des Begräbnisses harrend. Admetos aber war in die tiefste Betrübnis
versunken. Als Herakles dies hörte, jammerte ihn das Schicksal seines
Gastfreundes, und er ging hin in den Hades und rang die Alkestis dem
Tode wieder ab und brachte sie wieder zu ihrem Gemahl zurück. Dann
begab er sich nach Tiryns.
Nun waren dem Eurytos von dem Autolykos, einem besonders
schlauen und verschlagenen Diebe, Rinder gestohlen worden; der König
aber behauptete, niemand anderes sei der Räuber als Herakles, der sich
an ihm rächen wolle. Sein Sohn Jphitos aber verteidigte den Freund
und zog aus, Herakles aufzusuchen und mit ihm nach den gestohlenen
Rindern zu forschen. Er traf Herakles in Tiryns, und sie durchstreiften
das Land, um die Tiere zu entdecken. Unverrichteter Dinge nach Tiryns
zurückgekehrt, blickten sie einst von den Mauern der Stadt in die Ferne,
da bemächtigte sich des Herakles wiederum der Wahnsinn, und er stürzte
seinen treuen Freund die hohen Mauern hinab.
Wegen dieser That wurde Herakles von den Göttern mit schwerer
Krankheit geschlagen. Er wendete sich nach Delphi, um bei der Priesterin
des Apollon, der Pythia, sich Rats zu erholen, wie er Genesung finden
möge. Aber die Priesterin weigerte ihm, dem Mörder, ihren Spruch.
Da raubte er im Zorn ihren Dreifuß und trug ihn hinaus ins Feld,
um sich ein eigenes Orakel zu errichten. Erbost hierüber, erschien
Apollon und forderte den Helden zum Zweikampfe heraus. Aber Zeus
wollte keinen Streit zwischen den beiden und schleuderte seinen Donnerkeil