Die Revolutionsjahre 1848 und 1849. 29
preußischen Verfassung vom 26. Februar beide Kammern zu¬
sammengetreten. Die Kaisersrage in Frankfurt beschäftigte auch
die zweite Kammer in Berlin aufs lebhafteste, und am 2. April
ging sie in einer Adresse den König dringend an, die Kaiserwürde
anzunehmen. Eine große Deputation war eben von Frankfurt an¬
gelangt, uin dem König die deutsche Krone anzutragen. Sie wurde
aufs ehrenvollste empfangen, am 3. April, aber die Antwort des
Königs war ablehnend. Er dankte zwar für das in ihn gesetzte
Vertrauen und erklärte sich bereit, dem gemeinsamen deutschen
Vaterlande seine Hingebung und Treue zu beweisen, glaubte aber,
es sei unmöglich, Deutschlands Einheit aufzurichten mit Verletzung
der Rechte anderer, ohne die freie Zustimmung der Fürsten und
freien Städte. Ihnen komme es zu, erst die Reichsverfassung zu
prüfen, und von dem Ergebnis dieser Prüfung allein werde es ab¬
hängen, ob ihm Rechte zuerkannt werden würden, die ihn instand
setzten, mit starker Hand die Geschicke des Vaterlandes zu leiten.
Die Frankfurter Deputation konnte aber die vom König verlangte
Vereinbarung, welche die Endgültigkeit der Reichsverfassung noch
in Frage stellte, nicht anerkennen, gab in diesem Sinne sogleich eine
Erklärung ab und reiste unverrichteter Dinge nach Frankfurt
zurück. —
(M. Freytag:)
Durch die Arbeit dieses Jahres sind drei große Ideen in das
Bewußtsein der Nation gebracht worden: Deutschland einheitlicher
Bundesstaat mit kräftiger Zentralgewalt, der König von Preußen
Oberherr der Zentralregierung, die Ländermasse des öster¬
reichischen Staates ausgeschieden aus der neuen Einheit. Die
Verfassung gewann nicht sofort und nicht ohne große Ver¬
änderungen gesetzliches Leben. Der Egoismus der Regierungen
und der Egoismus.einzelner Volksstämme begann dagegen zu
reagieren. Doch so entscheidend war die Bedeutung der gewonnenen
Lehren, daß Preußen auf Grundlage derselben neue Versuche be¬
gann, die deutschen Regierungen zu gewinnen; sie schlugen fehl,
der Bundestag ward restauriert, aber die großen Grundsätze der
Reichsverfassung blieben den Regierungen und den Völkern als das
Ideal deutscher Zukunst in Sorge und Hoffnung. Vollends für
Preußen war seit dem Jahre 1849 eine neue große Pflicht der
Ehre und Selbsterhaltung übernommen, und in diesem Staate
fühlten alle Parteien Druck, Demütigung und Mißbehagen mit
den eigenen Verhältnissen, dem Manne gleich, der eine über¬
nommene Arbeit zu leisten nicht vermocht hat, — bis der Tag
kam, wo Preußen gegen Österreich denselben großen Satz, der in
der Paulskirche durchgekämpft war, mit den Waffen ausfocht.