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danke in die Seele, daß sie aufhören dürfe oder aufhören wolle, dieses Ver⸗
sprechen ferner zu halten. Die Lage meiner verwitweten Mutter forderte die
üußerste Sparsamkeit. Aber die Mühe, die unser Babeli sich gab, beinahe das
Unmögliche zu leisten, ist fast unglaublich. Um einen Korb Kraut oder Obst
einige Pfennige wohlfeiler zu kaufen, ging sie wohl drei- bis viermal auf den
Markt und paßte auf den Augenblick, wann die Marktleute gern wieder heim—
gehen wollten. Diese äußerste Sparsamkeit, ohne welche das Einkommen meiner
Mutter für die Haushaltung nicht hingereicht hätte, erstreckte sich auf alle Teile
derselben. Wenn wir Kinder auch nur einen Tritt auf die Gasse thun oder
an irgend einen Ort hin wollten, an dem wir nichts zu thun hatten, so hielt
uns das Babeli mit den Worten zurück: „Warum wollt ihr doch unnützerweise
Kleider und Schuhe verderben? Seht, wie eure Mutter, um euch zu erziehen,
so viel entbehrt; wie sie wochen- und monatelang an keinen Ort hingeht und
jeden Pfennig spart, den sie für eure Erziehung notwendig braucht.“ Von sich
selbst und von dem, was es für die Haushaltung that, und wie es sich für
diese aufopferte, redete das edle Mädchen mit uns nie ein Wort.
(J. H. Pestalozzi.)
7. Luise Schöppler.
Luise Schöppler stammte aus einem der Dörfer des Pfarrers
Oberlin im Steinthal. Sie war ohne alle Schulbildung aufgewachsen und
lebte bis nach ihrer Konfirmation im Hause ihrer armen Eltern. Dann kam
sie als Dienstmädchen zu Oberlin, dem die stille, kindliche Frömmigkeit und der
klare Verstand des Kindes nicht verborgen geblieben waren. Gar treulich diente
sie im frommen Pfarrhause. Ihre liebste Beschäftigung war, die Pfarrfrau
auf ihren Gängen in die Häuser der Armen und Kranken zu begleiten. Dabei
sah sie mit tiefem Mitleid auf die Menge der verwilderten kleinen Kinder, die
den Tag über, während die Eltern in Wald und Feld arbeiteten, auf der
Straße sich herumtrieben ohne Aufsicht, ohne Erziehung, ohne Unterricht. Wenn
sie dann an ihre eigene Kindheit und die Gnade Gottes gedachte, die sie auf
ganz andere Wege geleitet hatte, dann kam es ihr vor, als müsse hier etwas
gethan werden, die mangelhafte häusliche Erziehung zu ergänzen. Mit Be—
willigung und unter Anleitung Oberlins sammelte sie die kleinen Kinder um
sich un Pfarrhause, reinigte sie, setzte sie in Reih' und Glied, unterhielt sie durch
schöne Geschichten und liebliche Lieder, spielte mit ihnen, zeigte ihnen Bilder
und verstand es auf diese Weise meisterhaft, mit der Kinderschar umzugehen.
So entstand die erste Kleinkinderschule. Fünfzig Jahre lang hat Luise
Schöppler sie geleitet und es gesehen, wie nach ihrem Vorgang in der
Umgegend, ja in ganz Frankreich und darüber hinaus eine Kleinkinderschule
nach der andern entstand. Die Liebe der vielen Kinder, die sie erzogen, denen
sie Mutter war, und aus denen in der That ein anderes Geschlecht hervorging,
an Gnade wachsend bei Gott und den Menschen, war ihr Lohn. Diesen hielt