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G. In den Niederlanden, Belgien und Dänemark.
Sturme gepeitschte Grauweiden und der Dünenstrauch ein kümmerliches Dasein
fristen und spärliches Gras von hungrigen Schafen da gesucht wird, wo an¬
scheinend nichts zu finden ist. Die Westsee braust stärker, je mehr wir uns
der Küste nähern; selbst an ruhigen Tagen läßt sie ihre Stimme hören. Wie
mag sie während der Herbst- nnd Winterstürme lärmen! Wie oft hat sie
ihren melancholischen Grabgesang über dem unglücklichen Seemanne angestimmt,
der hier seinen Tod in den Wellen sand! Denn es ist eine an Gefahren reiche
Küste, von dem Seemanne als „die eiserne" bezeichnet. Wenn Sturm und
Wellen das Schisf in die in drei- uud vierfacher Reihe der Küste vorgelagerten
Sandbänke hineintreiben, dann ist es rettungslos verloren nnd in der kürzesten
Zeit im Sande begraben. Mit Aufopferung des eigenen Lebens sind die ehrlichen,
kühnen Strandbewohner redlich bemüht, Leben und Gnt zn bergen und dem
tückischen Meere die anscheinend sichere Beute zu entreißen. Hier bedeckt fast
jedes wollene Wams die Brust eines Helden.
Es ist eine mühsame aber lohnende Fahrt, die Fahrt an den Dünen hin,
längs der Küste. Bald ist der Sand mit Lehm untermischt, und die Dünen
erheben sich als schroffe und über das Ufer hinausragende felsige Mauern,
bald liegen sie wie weiche, weiße Polster vor uns, und der Flugsand wirbelt
unaufhaltsam von ihnen auf, wie während eines Schneesturmes. Bald ist der
Dünenwall ganz schmal, bald verbreitert er sich, indem sich Hügelkette an
Hügelkette reiht, und der Weg windet sich durch die riesengroßen Sandhausen.
Man kann deutlich sehen, wie der Sand unaufhaltsam iu das Land eindringt,
während das Meer Teile des Ufers hinwegspült. Vom Lande aus gesehen
haben die Dünen eine bläulichgrüne Farbe; denn sie sind mit dem Dünen-
stranche und dem Strandrohre bewachsen, die mit ihren langen Wurzeln den
flüchtigen Sand binden.
Diese Beschaffenheit der Westküste Jütlands macht es erklärlich, daß hier
auf eine Erstreckung von 350 km kein leidlicher Hasen, keine nennenswerte
Ansiedelung am Ufer des Meeres fich findet. Zwar find an zwei Stellen
Durchbrüche durch die Küstendüne ersolgt und dadurch Haffe entstanden, allein
die Eingänge derselben sind nur für Boote fahrbar. Auch die Einfahrt in den
bedeutendsten Meerbusen Dänemarks, den Limsjord, der eine Größe von
fast 1500 qkm hat nnd in einer Länge von etwa 150 km vom Kattegat her
in die Halbinsel Jütland einschneidet, ist sowohl von Osten wie von Westen
her nur kleineren Schissen zugänglich. Das Landdreieck im forden desselben,
das durch die große für alle Küsten d^r Nordfeeläuder fo furchtbare Flut vom
Februar 1825 feine Landverbindung mit der Halbinsel verlor, indem der
schmale Dünenisthmus an der Westseite des Limsjords durchbrochen wurde,
ist ganz mit Flugsand bedeckt, öde und pflanzenleer. Nur mit Mühe kann fich
die kleine Stadt Skagen an der Nordspitze des Landes vor Sandüberwehnng