Full text: Von 30 v. Chr. bis 1648 n. Chr. (Teil 4 für Unterprima)

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Der Verfall der universalen Gewalten 1254—1517 
Das 
Finanz¬ 
wesen 
Entwick' 
lung 
Eine Zersetzung der Rechtsprechung bewirkte das von den 
Regierenden und der Kirche begünstigte, auch der fortschreiten¬ 
den Geldwirtschaft mehr Rechnung tragende römischeRecht, 
welches allmählich die höchsten Gerichte eroberte und aus ihnen die 
rechtfindenden Schöffen zugunsten des Vorsitzenden gelehrten Rich¬ 
ters verdrängte. Das 1495 eingerichtete Reichskammergericht war in 
seiner ursprünglichen Form ständisch, der Kaiser ernannte nur den 
Kammerrichter, einen Fürsten; die 16 Beisitzer, zur Hälfte noch 
Adlige, zur anderen schon Juristen, bestellten die Stände. Es wurde 
zuständig für Rechtsverweigerung jeder Art und Berufungsstelle für 
alle Territorialhöfe, die nicht eximiert waren (§ 116). 
Das Finanzwesen des Reiches zerfiel gänzlich. Wo es galt, 
Mittel für Reichszwecke aufzubringen, war der Kaiser von der Gnade 
der Stände abhängig; für die Bewilligung von Reichssteuern fehlte 
noch jede feste Form, über Anläufe und Versuche kam man nicht 
hinaus. Immerhin zog der König noch beträchtliche Einnahmen aus 
der Bestätigung alter, der Verleihung neuer Rechte, besonders aber 
aus den Reichsstädten. 
§ 144. Die Territorien. Je mehr die Zentralgewalt verfiel, desto 
größer wurde die Macht der territorialen Fürstentümer, die auf dem 
Boden der alten Stammesherzogtümer erwuchsen. Sie waren seit 
dem 13. Jahrhundert fast völlig beseitigt, ohne daß dadurch eine 
Stärkung der königlichen Macht eingetreten wäre. Vielmehr er¬ 
möglichte ihr Verfall den nunmehr reichsunmittelbaren Fürsten, 
der Krone gegenüber die unabhängige Stellung zu erstreben, die die 
Herzöge zeitweise besessen hatten. Eine Reihe von Umständen war 
ihnen günstig. Von entscheidendem Einfluß war vor allem das Lehns¬ 
recht; die Ämter, namentlich das Grafenamt, und das mit ihnen ver¬ 
bundene Landgebiet wurden erbliche Lehen und verblieben in ein 
und derselben Familie, deren Mitglieder aus Beamten des Königs 
zu Inhabern einer Staatsgewalt über ihren allmählich verschmelzen¬ 
den Lehen- und Allodialbesitz wurden. Dieselbe Stellung erhielten 
auch die geistlichen Fürsten, als sie seit den Staufen in den Reichs- 
lehnsverband aufgenommen wurden. Indirekt kamen den Macht¬ 
gelüsten der Fürsten zugute die italienische Politik der deutschen 
Könige, das Interregnum, und seit Rudolf von Habsburg die Haus¬ 
machtspolitik, die die Könige auf eine möglichst große Unabhängig¬ 
keit des erworbenen Besitzes zielen und den gleichartigen Bestre¬ 
bungen der Fürsten gegenüber Nachsicht üben ließ. Seit Friedrich II. 
förderten die Könige auch direkt die Macht der Territorien reichs¬ 
gesetzlich (§ 89). Von besonderer Wichtigkeit war die goldene 
Bulle (§ 116 u. 143), die einen lebhaften Wetteifer der übrigen 
Fürsten entfachte, für sich dieselben Privüegien wie die Kurfürsten 
zu erringen. Mit dieser Emanzipation nach oben verband sich eine
	        
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