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Bonn geweilt hatte, vermählte er sich am 27. Februar 1881 mit der
Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderbura-
Augustenburg, nnsrer jetzigen Kaiserin. Sie ist am 22. Oktober 1858
geboren und verlebte die Jugendjahre größtenteils auf dem väterlichen
Schlosse Pnmkenau in Niederschlesien. Ihr Vater, Herzog Friedrich
Christian, war jener Fürst, der 1866 von Österreich für den Thron von
Schleswig-Holstein ausersehen war. Als er 1880 zu Wiesbaden starb, nahm
er die frohe Hoffnung mit ins Grab, daß feine Tochter dereinst Deutsche
Kaiserin sein werde. Am 6. Mai 1882 wurde dem glücklichen Paare
ein Sohn geboren. Da herrschte großer Jubel in der kaiserlichen Familie
und un ganzen Lande. „Vier Kaiser!" rief der Urgroßvater Kaiser
Wilhelm hocherfreut aus. Der kleine Prinz erhielt den Namen Wilhelm
und ist heute der Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen.
Außer ihm hat der Kaiser noch fünf Söhne, die Prinzen Eitel Friedrich,
Adalbert, August Wilhelm, Oskar, Joachim, und eine Tochter, die Prinzessin
Viktoria Luise.
3. Der Regierungsantritt Wilhelms II. Die hervorragendsten Be-
amten führten den Prinzen in alle Geschäfte der Verwaltung des
großen Landes ein. Der tüchtigste Staatsmann seiner Zeit, Fürst Bismarck,
lehrte ihn, wie die wichtigen Verhandlungen mit den fremden Staaten zu
geschehen haben. Früher, als er und alle Welt dachten, mußte er fein hohes
Amt antreten: am 15. Juni 1888 berief ihn der Tod feines Vaters auf
den Thron. Zwar war er noch jung an Jahren, aber die harten Schicksals-
schlage hatten ihn zum gesetzten und ernsten Manne gereift. Schon feit
fernen ersten kaiserlichen Kundgebungen blickte das deutsche Volk mit Liebe
und Vertrauen zu ihm auf. In dem „Aufruf an Mein Volk" sagte
er: „Ich habe Gott gelobt, nach dem Beispiele Meiner Väter Meinem
Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht
zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern,
den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein Wächter zu sein."
4. Der Friedenskaiser. Von vielen wurde der junge Herrscher für
kriegslustig gehalten. Daraufhin sprach er schon in der ersten Thronrede:
„Ich bin entschlossen, Frieden zu halten mit jedermann, soviel an Mir
liegt." Das Bündnis mit Öfterreich und Italien hat unser Kaiser wieder¬
holt verlängert. Kurz nach seinem Regierungsantritt stattete er den Herrschern
dieser Länder Besuche ab. Auch den Kaiser von Rußland, die Könige von
Schweden und von Dänemark, die Königin von England und den König
von Griechenland, ja sogar den Sultan der Türkei besuchte er in ihren
Residenzen.
5. Der Kaiser und das Heer. Gerade weil der Kaiser den Frieden
liebt, ist er rastlos bemüht, die Schlagfertigkeit der Armee zu erhöhen.
Er sorgt für die besten Geschütze und Gewehre. Die tüchtige Ausbildung
der Vorgefetzten, der Offiziere und Unteroffiziere, liegt ihm sehr am Herzen.
Ohne Nachsicht werden Unfähige entfernt. (Streng wird jede Mißhandlung
des gemeinen Soldaten bestraft; seit dem Jahre 1900 ist das gerichtliche
Verfahren auch beim Militär öffentlich und mündlich. Alljährlich finden
umfangreiche Manöver statt, deren größtes gewöhnlich der Kaiser selbst leitet.