172
Die Zeit vom 2. Pariser Frieden bis zum Regierungsantritt Wilhelms I. § 103.
Nun veröffentlichte König Christian VIII. von Dänemark den
„offenen Brief", worin er erklärte, daß in den Herzogtümern wie in
Dänemark die weibliche Erbfolge gelten solle, um bei der Kinderlosigkeit
seines Sohnes den Nachkommen seiner Schwester die Nachfolge in dem
„dänischen Gesamtstaat" zu sichern. Durch diesen offenen Brief wurde
die Nebenlinie Sonderburg-Augustenburg von der Thronfolge in den
Herzogtümern ausgeschlossen.
Im Jahre 1848 erließ König Friedrich VII., Christians VIII.
Nachfolger, eine Gesamtstaatsverfassung aller unter seinem Zepter
vereinigten Länder, wodurch Schleswig dem Königreiche Dänemark
einverleibt wurde.
Gegen diese Vergewaltigung erhoben sich die Bewohner der Herzog-
tümer; aus Deutschland strömten ihnen Freiwillige zu, der König Friedrich
Wilhelm IV. sandte ihnen Truppen zu Hilfe. Wrangel siegte bei
Schleswig und drang bis nach Jütlaud vor. Da aber die Blockade
der Ostseehäsen durch die dänische Flotte den preußischen Handel schwer
bedrückte, schloß Preußen mit Dänemark den Waffenstillstand von
Malmö, den die Nationalversammlung zu Frankfurt genehmigte (§ 100).
Im folgenden Jahre setzte die deutsche Reichsverwaltung in Frankfurt
einen Statthalter in den Herzogtümern ein. In der Bucht von Eckern-
sörde wurde das dänische Linienschiff „Christian VIII." durch die Strand¬
batterien in Brand geschossen und die Fregatte „Gefion" genötigt, die
Flagge zu streichen. Die Fortschritte des schleswig-holsteinischen Heeres, in
das viele preußische Offiziere eingetreten waren, wurden gelähmt durch die
Rücksicht auf englische und russische Drohungen. Die junge, vom Frank-
furter Parlament gegründete Flotte bestand auf der Höhe von Helgoland
ein erstes ruhmreiches Gefecht. Nach dem Frieden zwischen Preußen und
Dänemark (1850) waren die Herzogtümer auf sich allein angewiesen. Sie
führten den Krieg unglücklich, wurden aber erst durch das Einrücken eines
Bnndesexekntionsheeres gezwungen, die Feindseligkeiten einzustellen.
Das Londoner Protokoll (1852), von den europäischen Groß-
mächten unterzeichnet, erklärte die Unversehrtheit des dänischen Gesamt-
staates für „ein europäisches Interesse" und sprach die Nachfolge in
allen ihren Teilen dem Prinzen Christian von Glücksburg zu*). Der
Herzog Christian August von Augustenburg gab seine Ansprüche gegen
eine Geldentschädigung auf.
Diese Lösung der schleswig-holsteinischen Frage mußte das deutsche
Natioualgefühl aufs tiefste verletzen; sie bewies, daß an Stelle des
Deutschen Bundes eine andere Verfassung treten mußte, stark genug, die
Ehre der deutschen Nation zu schützen.
*) Christian VIII. + 1848 (Charlotte von Hessen)
Friedrich VII. + 1863 Luise, verm. mit Christian IX. + 1906.