— 98 -
allen Thürmen wehten die brabantischen Fahnen. Der Pöbel
beging allerlei Unordnung und Gewalttätigkeit, wogegen die
Bürgerschaften Nationalgarden bildeten. Der König wollte
aber nicht den Schein eines ihm auferlegten Zwanges er-
tragen, erklärte, er lasse sich nicht die Pistole auf die Brust
setzen und zur Entfernung van Maanens nöthigen, und ent-
ließ die Deputation mit allgemeinen Versicherungen, die bei
dem Heranrücken von Truppen gegen Belgien das Mißtrauen
nur noch steigerten.
Wilhelm I. sandte seine beiden Söhne nach Belgien; der
ältere, Wilhelm von Oranien, sollte bei seiner bekannten Volks-
beliebtheit den Weg der Unterhandlungen versuchen, der jüngere
Prinz, Friedrich, möglichst viele Truppen in der Nähe von
Brüssel zusammenziehen. Wilhelm wollte an der Spitze eines
Truppencorps in Belgiens Hauptstadt einrücken, aber die Vor¬
stellungen einer Bürgerdeputation, daß es dann zu blutigen
Auftritten kommen würde, ließen ihn davon abstehen, und er
zog nur mit einigen Offizieren in Brüssel ein. Hier über-
zeugte er sich von der bedenklichen Lage der Dinge und bot
in einer mit den belgischen Notabilitäten am 3. September
abgehaltenen Conferenz die legislative und administrative
Trennung Belgiens von Holland unter Beibehaltung der
Dynastie an, mit dem Versprechen, dieselbe bei seinem Vater
zu unterstützen.
Ohne sich damit einverstanden zu erklären, berief der
König die Generalstaaten auf den 13. September nach dem
Haag. Die Thronrede berührte zwar die Berathung über
die Trennung Belgiens von Holland, stellte sie aber nicht als
eine unvermeidlich gewordene Notwendigkeit dar. Diese Un-
entschiedenheit und der langsame Gang der Verhandlungen
erzeugte neues Mißtrauen, und die Belgier glaubten sich vom
Prinzen von Oranien nur getäuscht. Als endlich am 28. Sep¬
tember die Trennung Belgiens von Holland von den General-
staaten ausgesprochen und am 4. Oetober vom König bestätigt
wurde, waren unterdessen Ereignisse eingetreten, welche diesem
Beschlüsse alle Wirkung benahmen.
In Folge des Schwankens der Regierung waren aus
den übrigen Provinzen, wo die Leidenschaften noch heftiger
entflammt waren, ganze Schaaren von Arbeitern nach der