Zweiter Hauxtteil.
Die Neubildung der europäischen
Kulturwelt durch Christenwm und
Germanentum (Das Mittelalter).
Überblick.
Während sich die Geschichte des Altertums, soweit sie für uns bedeutsam
ist, vor allem in Vorderasien und in den Gestadeländern des Mittelmeeres
abspielt, erweitert sich seit der Völkerwandemng der Schauplatz des Kultur-
lebens über ganz Mitteleuropa bis an die Nord- und Ostsee. Dagegen
nehmen der Norden und Osten des Erdteils an den großen Weltereig-
nissen einstweilen wenig selbständigen Anteil. — Als Vermittlerin der
Kultur erscheint nunmehr die christliche Kirche, welche außer der religiösen
Wahrheit auch das Erbe der antik-klassischen Bildung, besonders auf dem
Gebiete des Staats- und Rechtslebens sowie der Kunst und Wissenschaft,
überliefert. Neben das C h r i st e n t u m tritt im Abendland das Ger-
manentum mit seiner noch unverbrauchten körperlichen Kraft und
seiner geistig-sittlichen Bildungs- und Leistungsfähigkeit, anfangs mehr
aufnehmend und empfangend, später allmählich auch selbständig schaf¬
fend. Vom Germanentum zweigt sich sodann das Romanentum
ab, im wesentlichen entstanden durch Vermischung germanischer und
römischer Bevölkemngsteile in den ehemaligen Provinzen des Römer-
reiches. Im Morgenland behauptet sich zunächst B y z a n z als Stütz-
Punkt der griechisch-römischen Kultur und übermittelt diese nebst dem
Christenwm den S l a v e n. Als zweiter Erbe der hellenischen Kultur
im Orient kommt der von den Arabern vertretene Islam auf und
verbreitet sich hauptsächlich über Vorderasien und Nordafrika, vorüber-
gehend auch über einzelne Teile Südeuropas. Gegen Ende des Mittel-
alters erliegen sowohl die byzantinische als die arabische Macht den
wenig bildungseifrigen Türken. Somit bleiben für die beginnende Neu-
zeit der christlich-romanisch-germanische und der christlich-slavische
Kulturkreis die wichtigsten Träger der weiteren Entwicklung.
Lorenz, Seschichte für Gymnasien IL
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