Volltext: Bilder zur Kunst- und Kulturgeschichte der Griechen und Römer ([Teil] 4, Bilderanh)

Abbildung 2 verstattel einen Blick in die südliche unterirdische 
Anlage. Während die äußere Burgmauer aus rohen, unförmigen 
Steinblöcken aufgetürmt ist, nähert sich hier das aufgehende Mauer- 
werk dem regelrechten Quaderbau. Wie ist die (falsche) Wölbung 
der Kammereingänge, wie die des Ganges hergestellt? 
Das weltberühmte, nie ganz verschüttete Löwentor von 
Mykenä (3) ist ein redender Zeuge der mykenischen Blütezeit. Die 
Torwand springt zwischen einem starken Turme (r.) und einer auf 
dem Fels aussetzenden Mauer (l.) weit zurück; welche Rücksicht war 
hierfür maßgebend? Aus zwei leicht gegeneinander geneigten Pfosten 
liegt ein ungeheurer Steinbalken von 5 m Länge, 2,50 m Tiefe und 
1 m Höhe. Zu seiner Entlastung ist darüber ein Dreieck ausgespart, 
welches durch eine Kalksteinplatte in erhabener Arbeit (Relief) aus- 
gefüllt wird: zwei Löwinnen ruhen hoch aufgerichtet mit den Vorder- 
tatzen auf einem altarartigen Untersatz und bewachen mit einst dem 
Ankömmling drohend entgegengewandtem Rachen (die angestückten 
Köpfe sind verloren) eine zwischen ihnen emporsteigende Säule, die 
sich nach unten verjüngt und oben mit einem Stück Dachgebälk 
belastet ist; sie vertritt anscheinend den Herrscherpalast. 
Schon die Verjüngung nach unten beweist, daß die ägäische 
Säule ursprünglich eine Holzsäule war. Die Prachtsäule von Mykenä 
(4) läßt den Aufbau erkennen. Nicht mehr erhalten ist die flache 
runde Steinplatte (Basis), die dem glatten Schaft ein festes Auflager 
gab. Das Säulenhaupt (Kapitell) besteht aus drei Teilen: ein aus- 
ladender, überhängender Blätterkranz trägt einen polsterartigen runden 
Wulst, den Hauptvermittler zwischen Stütze und Last; ein gleichfalls 
ausladendes Mittelglied leitet zu der viereckigen Deckplatte (abacus) 
über. Holzsäulen wurden zuweilen mit Metallblech in getriebener 
Arbeit bekleidet (inkrustiert); 4 ist die Nachbildung einer solchen in- 
krustierten Säule in Marmor. 
Von der außerordentlichen Bedeutung des Ahnenkultus reden 
die Königsgrüber. In ältester Zeit wurden die Toten, über und 
über mit Goldblechschmuck bedeckt, unter wertvollen Beigaben in 
Schachtgräbern beigesetzt, die eine Deckplatte schloß; Grabsteine 
mit Reliefschmuck bezeichneten die Stätte. Eine zweite Bestattnngs- 
art ist diese: man höhlt dem Toten eine Wohnung — das ist das 
Grab im Felsen aus, von der gleichen bienenkorbartigen Form, 
wie einst die Wohnungen der Lebenden. Beide Arten sind vereinigt 
in der gewaltigen, unter dem irreführenden Namen „Schatzhaus des 
Atreus" bekannten Grabanlage (5a Querschnitt, 5b Grundriß». Be¬ 
schreibe den Grundriß! Der Sturz der 6 m hohen Prachttür greift 
beiderseits über den 6 m breiten Dromos hinaus und hat ungeheuer- 
liche Abmessungen: fast 9 m Länge, über 4 m Tiefe, über 1 m Höhe; 
Gewicht 112000 kg! Die Höhe des Kuppelraumes ist gleich dem 
Durchmesser des Grundkreises, etwa 15 m. Hier ist die „falsche" 
Wölbung höchst kunstreich auf die Kreisform übertragen: 33 nach 
oben enger werdende Steinringe legen sich so lange konzentrisch über- 
einander, bis sie oben durch eine Platte geschlossen werden; ringsum 
wird Erde aufgeschüttet. Die Kurve der inneren Wölbung war an 
den Quadern vor dem Versetzen ausgearbeitet. Den Jnnenraum 
schmückten regelmäßig angeordnete vergoldete Bronzerosetten. Bis zum 
Pantheon Hadrians kennt das Abendland keinen größeren ohne An- 
wendung von Stützen geschaffenen Rundbau. 
Von den mykenischen Schmuckformen geben die beiden Gold- 
plättchen (6a) einen Begriff; das eine weist auf Metalldrahttechnik 
zurück, das andere ahmt eine in mykenischer Zeit sehr beliebte Natur- 
sorm nach, den Tintenfisch. Waffen und Kleidung der Altachäer 
zeigt die kunstvoll eingelegte Dolchklinge (6 b). Wieviel Männer sind 
am Kampfe beteiligt? Wie sind sie bekleidet? bewaffnet? Welche 
beiden Schildarten sind zu unterscheiden? Wie wird der Schild 
getragen? Im übrigen untersteht die ägäische Kunst vielfach orten- 
talischen Einflüssen. 
Einen wesentlich anderen Charakter als Tiryns und Mykenä 
tragen die Paläste von Knosos und Phaistos auf Kreta. Sie 
waren keine Burgen, sondern unbefestigt; ein auswärtiger Feind war 
also nicht zu befürchten. So bestätigen diese Entdeckungen die alten 
Sagen von der Seeherrschaft des Königs Minos. Auch der Grundriß 
ist völlig verschieden; er zeigt mehrgeschossige, vielgegliederte Anlagen, 
die sich um einen großen Hof gruppieren.
	        
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